Einmal abgesehen davon, dass der Singe-Titel „The Mercenary“ von dem vierten Album „Bevor The Future“ der inzwischen in L.A. residierenden, aber in New York aufgewachsenen Songwriterin Rebecca Schiffman das Ergebnis einer Lesekreis-Aufgabe ist – bei der es darum ging, einen Song über ein gelesenes Buch zu schreiben – vermitteln die restlichen Tracks den Eindruck eines Trips „Down Memory Lane“. Die Künstlerin schildert auf zwar poetische Weise, aber im Konversationsstil Kindheits- und Jugenderinnerungen, die sie als Mensch und Künstlerin entscheidend prägten. Die Bio beschreibt das so, dass Schiffman auf diesem Album hinterfrage, was es bedeute, ein anständiger Mensch zu sein und im Gleichgewicht mit ihrer Umgebung zu leben. Kurzum: Es handelt sich dabei um eine klassische Selbstfindungsscheibe – aber eine mit Zeitverzögerung. Daher rührt vermutlich auch der Titel des Albums, denn Rebecca Schiffmans Gegenwart ist ja schließlich die Zukunft ihrer Jugendzeit.
Musikalisch war Rebecca Schiffman von Beginn ihrer Solo-Karriere Anfang stets auf Kollaborationen mit anderen Künstlern aus – was auch zum Thema dieses Albums wurde. Eine endlose Liste von verschiedenen Musikern aus der L.A. Indie-Szene trägt dem Rechnung. Dass zwischen Rebeccas letztem, selbst betitelten Album von 2016 und dem neuen Werk nun fast zehn Jahre liegen, hat viele Gründe. Zum einen markiert diese Zeitspanne ihren Transit vom heimatlichen New York nach L.A., wo sie sich erst mal persönlich, kulturell und künstlerisch einnisten musste. Dann ist es auch so, dass sich Rebecca Schiffman keineswegs ausschließlich als Songwriterin sieht, sondern parallel auch als Schmuck-Designerin und Kunstmalerin agiert. Und letztlich entstanden die neuen Songs nicht an einem Stück, sondern in vielen verschiedenen Abschnitten im Patchwork-Verfahren – an dem dann auch die angesprochenen Gast-Musiker beteiligt wurden.
Dazu gehören neben den Musikern auch die KollegInnen Sasami, Tim Carr, Chris Cohen und Luke Temple, die Schiffman produktionstechnisch unter die Arme griffen. Das sorgte für ein abwechslungsreiches Sound-Design, originelle Arrangements und viele verschiedene stilistische Experimente. Die Songs pendeln dann – wie etwa der Track „The Mercenary“ oder der Titeltrack – zwischen purer (im Sinne von unverfälschter) Indie-Pop-Glückseligkeit mit Dream- und Jangle-Flair und einer fast unerbittlich durchgezogenen Fingerübung in Sachen Geradlinigkeit am anderen Ende des Spektrums (und des Albums) hin und her; denn der abschließende Track „Beach Vacation“ präsentiert sich fast schon als Talking Blues auf Pendelakkord-Basis, der allerdings das Augenmerk dann so auf die wortreichen Lyrics lenkt. Zusammengehalten wird das alles von Schiffmanns fast schon beruhigendem, angenehm temperierten Gesang. Für Freunde des Indie-Pop-Genres ist diese Produktion schon alleine deswegen empfehlenswert, weil hier eine Menge der Schlüsselcharaktere der Westcoast-Indie-Szene beteiligt sind.
„Before The Future“ von Rebecca Schiffman erscheint auf bandcamp.