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Weltpremiere – in Leipzig!
Wolf Alice meinen es gerade ziemlich gut mit ihren deutschen Fans. Erst im Juli absolvierte die stilistisch schwer festzunagelnde englische Ausnahme-Band eines von weltweit gerade einmal sieben, im wahrsten Sinne unbezahlbaren Club-Konzerten in Berlin, und auch der erste echte Live-Auftritt nach Veröffentlichung ihres hochgelobten neuen Albums „The Clearing“ findet in Deutschland statt – noch dazu in einer Location, die stimmungsvoller (und kleiner!) kaum sein könnte: dem legendären UT Connewitz in Leipzig.
Dass dies kein gewöhnlicher Konzertabend wird, kann man auf dem Weg in die Wolfgang-Heinze-Straße schon von Weitem sehen. Vor dem UT Connewitz parkt an diesem sommerlichen Freitag nicht nur ein riesiger Nightliner für die Band, sondern auch gleich noch ein ganzer LKW für das Equipment von Wolf Alice. Doch auch wenn das ein nicht zu übersehender Hinweis darauf ist, dass das Londoner Quartett längst zu waschechten Superstars avanciert ist, geben sich Ellie Rowsell, Jott Oddie, Joel Amey und Theo Ellis trotzdem volksnah – und das nicht nur, weil der einzige Weg vom Bus zum Backstage an den schon Stunden vorher Schlange-stehenden Fans vorbeiführt.
Just an diesem Tag ist „The Clearing“, Wolf Alice‘ Majorlabel-Debütalbum, von 0 auf 1 in die englischen Charts eingestiegen (in Deutschland reichte es immerhin für Platz 10), und das will gefeiert werden! Also trommeln die vier kurz vor dem Einlass die Menschen in der Warteschlange für ein gemeinsames Foto zusammen, und selbst die Fans, die eigentlich gar nicht wollen, „müssen“ mit drauf – Mr. Ellis kann da sehr resolut sein…
Auch beim Konzert ist das nicht nur aus ganz Deutschland, sondern sogar aus allen Teilen Europas angereiste Publikum mittendrin, statt nur dabei, denn einen Fotograben oder Security vor der Bühne, wie sie seit Jahren bei den Wolf-Alice-Konzerten in viel größeren Locations gang und gäbe sind, die gibt es nicht im UT Connewitz, diesem charmant heruntergerockten alten Kinosaal von 1912, dessen Atmosphäre selbst dann einmalig ist, wenn sich keine Weltstars angekündigt haben.
Punkt 21.00 Uhr stehen Wolf Alice dann tatsächlich auf der Bühne und stürzen sich gleich kopfüber in „White Horses“, das heimliche Highlight der neuen LP, bei dem Drummer Joel Amey als Leadsänger glänzen kann. Der Einstieg ist gut gewählt, hat der Song live doch den Punch der alten Hits, unterstreicht mit seinem psychedelisch vernebelten Pop-Appeal aber auch, dass die Band inzwischen andere Ziele verfolgt als noch vor zehn Jahren zu Zeiten ihres LP-Erstlings „My Love Is Cool“.
„Dies ist das erste Mal, dass wir die meisten dieser Songs spielen“, ruft Frontfrau Ellie Rowsell dem begeisterten Publikum wenig später zu. Das ist ein bisschen geflunkert, weil die meisten neuen Lieder ihre echte Weltpremiere bei einer Reihe Plattenladen- und Radiokonzerten in den vorangegangenen Tagen erlebt hatten.
Trotzdem unterstreicht die Aussage, dass der Auftritt in Leipzig nicht nur wegen des vergleichsweise winzigen Ladens etwas ganz Besonderes für Rowsell und ihre Bandkollegen. Er ist gewissermaßen der Aufbruch in eine neue Ära, das erste „richtige“ Konzert, der erste Auftritt von Wolf Alice, bei dem sie nun definitiv eher eine smarte Pop-Band im Fleetwood Mac’schen Sinne als eine laute Alternative-Rock-Band sind.
Doch auch wenn einige langjährige Fans der Briten vor der Show noch skeptisch ob der klanglichen Hinwendung zu einem hörbar vom 70s-Pop geküssten Sound waren – am Ende dieses mitreißenden Gastspiels mussten sie doch neidlos anerkennen: Mit ein bisschen mehr Live-Feeling – und strategisch gut verteilt zwischen alten Hits und Hymnen der letzten zehn Jahre wie „How Can I Make It All OK?“ oder „Don’t Delete The Kisses“ – fügen sich die neuen Songs, allen voran „Bloom Baby Bloom“ und „Thorn“, nahtlos in die Setlist ein.
Sympathischerweise ist die ansonsten so charismatische Rowsell an diesem Abend bei den neuen Songs spürbar nervös, während sie die alten Heuler der ersten drei Alben Arena-tauglich mit großen Gesten und dennoch leicht entrückter Coolness inszeniert.
Wie schon wenige Wochen zuvor in Berlin gilt deshalb: Das bunt gemischte Publikum hängt Wolf Alice schon bei den ersten Liedern an den Lippen und singt selbst viele der neuen Songs aus vollster Seele mit. Auch dieses Mal wieder sehr zur Freude der Band, denn Bassist Theo Ellis und Gitarrist Jott Oddie lassen keine Gelegenheit verstreichen lassen, nah am Bühnenrand auf Tuchfühlung mit dem Publikum zu gehen – High Fives mit den Menschen in der ersten Reihe am Konzertende inklusive.
14 bemerkenswert abwechslungsreiche Songs füllen das etwas mehr als einstündige Set, bis sich die vier ganz am Ende bei „Giant Peach“ sogar noch Abstecher zu „Seven Nation Army“ von The White Stripes und „Iron Man“ von Black Sabbath erlauben. Dass es danach trotz minutenlanger Ekstase vor der Bühne keine weiteren Songs zu hören gibt, ist ein bisschen schade, aber frei nach dem Motto „Always leave them wanting more“ ist das vielleicht auch einfach der dezente Hinweis darauf, dass Wolf Alice im November in Hamburg, Berlin, Köln und München ungleich größere Locations füllen wollen – und dann gibt’s bestimmt auch wieder Zugaben!