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Ein unterhaltsamer Weltuntergang
Als Tiffany „To“ Athena im letzten Jahr mit ihrem Ensemble beim Reeperbahn Festival erstmals in Deutschland aufspielte, war das noch ein Testballon, mit dem ausgetestet werden sollte, wie die multilinguale Kook-Pop-Melange der Schweizerin vor hiesigem Publikum ankommen würde. Eine erste Tour im Dezember letzten Jahres erfolgte erst einmal in kleinerem Rahmen – jedoch kündigte To Athena damals bereits an, dass es in diesem Jahr dann auch eine komplette Tour mit dem Kleinorchester geben sollte. Dass diese nun – quasi am Vorabend des diesjährigen Reeperbahn Festivals – neben Köln auch nach Hamburg führte, machte Sinn, denn ein erneuter Auftritt auf dem Festival wäre wirtschaftlich ja nicht förderlich gewesen.
Zwar spielt die Wirtschaftlichkeit im Denkmodell der quirligen Schweizerin nur eine untergeordnete Rolle – aber dennoch ist sie gut darin, zu ökonomisieren. So beschäftigt sie etwa ihre Freundin Gina Éte als Viola-Spielerin in ihrem Orchester – die dann auch gleich den Support-Act bei den aufeinanderfolgenden Shows in Köln (dort mit Unterstützung von Geigerin Hannah) und Hamburg (dort aus Platzgründen solo) machen konnte. Unter Verzicht auf die rhythmischen Aspekte ihres Tuns – die sie ansonsten mit ihrer mehrköpfigen Band realisiert – präsentierte sie jeweils ein eher ambientmäßig angelegtes Solo-Programm, das (versehen mit einigen Schweizer-Witzen und einigen Songerklärungen) einen Überblick über das musikalische Angebot der multilingual agierenden Songwriterin ergab. Das funktionierte in Hamburg ein bisschen besser – was aber nur daran lag, dass es in Köln – neben viel zu viel Kunstnebel und einer unglücklichen Dunkelmunkel-Beleuchtung – eine Publikums-Situation gab, die dazu führte, dass mehrere Meter zwischen Künstlern und den auf einer Treppenkonstruktion sitzenden Zuschauern führten. In Hamburg waren dann alle dicht dabei und ganz Ohr.
Das, was die Performance von To Athena und ihren Musikern auszeichnet, ist der Umstand, dass das Team nicht nur auf musikalischer Ebene brillant miteinander agiert – sondern dass es eine ungemeine Fülle an wirklich schönen performerischen Ideen gibt, die ohne großen Aufwand für Kurzweil sorgen. Damit sind nicht unbedingt die zahlreichen Bemühungen gemeint, die teils auf Schweizerdeutsch vorgetragenen Songs zu erklären bzw. deren Inhalte zu vermitteln, sondern Dinge wie zum Beispiel:
Die Angewohnheit, Naturgeräusche (beispielsweise bei dem mit Marlena Käthe geschriebenen „Der Garten“) mit Zwitschergeräuschen zu implementieren. Eine „Werbeunterbrechung“ in der Mitte der Show, in der die verschiedenen Merch-Artikel von den Musikern in einer von Jingle-Musik untermalten „Verkaufspräsentation“ ausgelobt werden. Eine Unplugged-Einlage in der To und zwei ihrer Musiker den Song „Angscht“ ohne Mikros a cappella am Bühnenrand stehend vortragen. Eine auf den Schwarz/Weiß-Kontrast ausgelegte Bühnenkostümierung der Musiker. Eine Lichtinstallation auf der Bühne, mit der das Publikum während besonders lebhafter Passagen mit LED-Elementen angestrahlt wird. Und dann ist da noch die Sache mit dem Song „Feschtmol“, bei dem To Athena das Publikum in drei Gruppen unterteilt, mit denen sie dann drei tonal unterschiedliche Partituren des Refrains „Elei, elei, elei, elei, elei, elei för mech“ einstudiert und dann den ganzen Chor mit großem Engagement durch den sich gegen Ende hin immer stärker aufbäumenden Walzer dirigiert. Das tut sie zwar bei jeder Show – aber offensichtlich mit immer noch wachsender Begeisterung. Auch dieses Experiment funktionierte in Hamburg besser als in Köln, da hier das Publikum wesentlich dichter gedrängt stand und mit großer Lautstärke mitgrölte.
Zwar ist die Show auf große dramatische Gesten angelegt – aber nicht durch-choreografiert. Der Spaßfaktor, der auch die Musiker motivierte, war, auf dieser Tour noch mal eine Spur deutlicher zu spüren. Das lag vor allem auch am grandios orchestrierten Ende der Show. Zunächst forderte To das Publikum auf, beim letzten offiziellen Song der Show – dem älteren Track „Wältuntergang“ aus den Anfangstagen des Projektes – die Bude abzureißen. Während sich die Band dabei in einen orgiastischen Spielrausch steigerte, wurde das Publikum in die Hocke gebeten, um dann am Ende mit einem Urschrei aufzuspringen und abzuhotten (in Köln noch unterstützt durch eine Konfetti-Bombe).
Damit aber nicht genug: Nachdem die Band die Bühne eigentlich schon verlassen hatte, kehrten nochmals alle zurück, gliederten sich vor der Bühne mit Percussion-Instrumenten ins Publikum ein und trugen dann noch einen Song a cappella vor, den To Athena dann – logisch – wieder mit großer Anteilnahme dirigierte.
Fazit: Auf dieser Show zeigte To Athena erneut, was sich mit brillanten Musikern, einem engagierten Publikum und performerischem Einfallsreichtum in Sachen Kleinorchester alles reißen lässt – und legte die Messlatte in dieser Hinsicht ordentlich hoch. Einziger Wermutstropfen: Bis auf den gerade als Single veröffentlichten Track „Weird Kid“ gab es kein neues Material zu hören. Ein neues Album ist erst für nächstes Jahr geplant. Das allerdings erhöht dann die Chancen, dass uns To Athena auch im nächsten Jahr wieder mit einer Visite beehren wird.