In Bands und Projekten wie Blue Crime, SOON oder Slow Worries konnte Liú Mottes in den letzten Jahren ihre kunstvoll freigeistige Herangehensweise an die Gitarre genauso ausleben wie ihr Faible für oft wohlig düstere experimentelle Sounds zwischen zartem Ambient-Flair und harschem Noise-Rock.
Auch auf der vor fünf Jahren erschienenen Doppel-EP „FISHBOWL/TERRESTIAL“ ihres Soloprojekts Alienbaby Collective fand die aus den Niederlanden stammende, inzwischen aber in Berlin heimische Musikerin immer wieder spannende Ausdrucksformen jenseits der Grenzen des Konventionellen, wenn sie der Freude am Experimentieren mehr Beachtung schenkte als klanglicher Konformität.
All das hallt auch auf dem nun erscheinenden Alienbaby-Collective-Debütalbum „Breakage“ nach, trotzdem ist diese LP mehr als nur eine Fortführung der EP. Während „FISHBOWL/TERRESTIAL“ eine Sammlung oft kurzer Stücke war, bei denen Mottes‘ Stimme – wenn überhaupt – begraben unter einem Wall of Sound die Rolle eines weiteren Instruments zukam, kanalisiert sie ihre Ideen nun in Songs, die stärker von ihrem Tun bei Lucy Kruger & The Lost Boys gekennzeichnet sind.
Gleich zu Anfang fasziniert „Waves I“ als hypnotische Ambient-Pop-Nummer, die mit leichtem Retro-Touch fast so klingt, als hätten Lee Ranaldo oder Thurston Moore bei Air im Studio vorbeigeschaut. Auch „Entropy“ widmet sich diesem sanft-verschleierten Traumwelt-Sound, rückt gleichzeitig allerdings auch Mottes’ sympathische Gesangsstimme stärker denn je in den Mittelpunkt. „Recoil“ dagegen glänzt als in sich gekehrte instrumentale Folk-Meditation und unterstreicht, warum Mottes in der Vergangenheit nicht nur Sonic Youth und Broadcast, sondern auch Joni Mitchell als Einfluss genannt hat.
Während Mottes ihre Tracks zuvor oft zu überlebensgroßen, gewaltigen Band-Nummern aufgetürmt hatte, geht sie auf diesem Album den entgegengesetzten Weg. Um Mottes Gedanken zu Veränderung, Perspektiven und allem, was zerbrechlich ist, viel Raum zu geben, kommt das Titelstück bei den ersten beiden Strophen allein mit Stimme und dem vergleichsweise naturbelassenen Sound einer Stromgitarre aus, bevor der Song in einem Meer aus Hall und Effekten aufgeht und so auch klanglich deutlicher als viele andere Nummern ein Band zur Vergangenheit knüpft.
Die brachial-unberechenbaren Noise-Ausbrüche, die zuvor das heimliche Markenzeichen des Alienbaby Collectives waren, weichen in diesen sieben, sich langsam entfaltenden Nummern einem Faible für ein stärker songbasiertes Arbeiten und den Reiz der Fragilität. Erfüllt von der Idee stetiger Veränderung sind diese Songs am Ende vor allem eines: das Spiegelbild einer sich ständig im Fluss befindlichen Welt.
„Breakage“ von Alienbaby Collective erscheint auf Subroutine Records.