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Just Mustard aus dem irischen Dundalk zeigen, wie es geht und wie man mit Überraschungen aufwarten kann – stand das vorherige Album „Heart Under“ (2022) rückblickend schon ziemlich unter den Eindrücken der damals herrschenden Pandemie, nämlich klanglich in einer eigenen, geschlossenen Welt lebend, die trotzdem eine Flucht an einen anderen Ort bietet, ist der nun erscheinende Nachfolger „We Were Just Here“ eine ganz andere Angelegenheit. Die Post-/Noise-Rock-Songs strahlen, die Stimmen von Sängerin Katie Ball und auch Gitarrist David Noonan stehen nun weit im Vordergrund, Mete Kalyoncuoglu, Robert Hodgers und Shane Maguire vervollständigen den einzigartigen Sound-Kosmos, den diese Band ausmacht – und das schon seit fast einer Dekade.
„Es fühlt sich aber nicht wie eine Dekade an“, meint Katie Ball im Gaesteliste.de-Interview, „Durch die verlorenen Jahren der Pandemie hat es ja so etwas wie einen Zwangsstop gegeben.“ Als ein Highlight gibt Katie Ball die Süd-Amerika-Tour an, David Noonan ergänzt: „Ja, das war schon ein verrückter Trip. Für mich persönlich war allerdings das Highlight, unsere erste Platte auf Vinyl in den Händen zu halten. Die eigene Musik auf einem Tonträger zu haben, das war schon sehr cool.“
In diesen ganzen Jahren hat die Band es sehr schnell geschafft, einen ganz eigenen Sound und einen riesigen klanglichen Kosmos zu kreieren. Manchmal fragt man sich, wie sie das eigentlich schaffen, besteht Just Mustard doch eigentlich aus einem ganz normalen Rock-Band-Setup. „Für uns fühlt sich das einfach ganz normal an, das ist das, was wir machen“, meint Noonan, „Es ist der Mix unserer Einflüsse und unserer Intuition. Wir versuchen nicht, irgendwen oder irgendwas zu kopieren, es kommt einfach aus uns heraus. Es ist natürlich auch so, dass man etwas, das man gut findet, sei es ein Sound, ein Effekt oder was auch immer, gerne wieder verwendet, das aber dann weiterentwickelt. Wir verwenden eigentlich gar nicht so viele Effekte, wie man vielleicht vermuten würde – ich kenne viele eher traditionelle Rock-Bands, deren Effekt-Board viel, viel größer ist als unseres. Wir verwenden im Grunde nur Distortion, Delay und Reverb – wir versuchen aber damit, die Grenzen auszutesten und zu sprengen, das sind die Momente, in denen man neue Sounds findet.“ Katie ergänzt: „Außerdem ist es nie gut, irgendwelchen Trends folgen zu wollen.“
Bei der Frage, ob die beiden denn trotzdem ein paar musikalische Empfehlungen geben können (Smerz „Big City Life“, Moin „You Never End„, Cameron Winter „Heavy Metal„, Earl Sweatshirt „Live Laugh Love“), machen sie auch das, was wohl viele Menschen heutzutage machen: Handy zücken, Spotify-Playlist aufrufen. „Ja, das ist leider ein zweischneidiges Schwert – man will natürlich nicht Teil von etwas sein, das Geld z.B. in die Waffen-Industrie steckt. Auch ist die Bezahlung der Streams generell sehr fragwürdig, egal auf welcher Plattform, aber als junge Band ist man trotzdem leider darauf angewiesen, dort auffindbar zu sein“, sagt David. Katie entdeckt neue Musik aber auch auf eine andere Art: „Wenn mir ein Cover-Artwork gefällt oder auffällt, zieht es mich magisch an und ich höre erstmal rein. So entdecke ich viele neue Bands.“
„We Were Just Here“ wurde wie auch die vorherigen Veröffentlichungen im heimischen Dundalk aufgenommen – braucht die Band die vertraute Umgebung? David: „Ich hatte in diesem Studio schon vorher des Öfteren gearbeitet und da war es einfach der logische Schritt, auch als Band die Songs dort aufzunehmen – ich kenne dort alles, sei es Technik oder Einrichtung, und das hat einfach für eine entspannte Atmosphäre gesorgt und uns nicht mit zusätzlichem Druck belastet.“ Katie ergänzt: „Außerdem konnten wir einfach zwischendurch nochmal ins Studio gehen, wenn z.B. eine andere Band gerade fertig war. Das war schon sehr entspannt. Ich bin aber jetzt auch dafür bereit, in Zukunft mal woanders aufzunehmen und neue Dinge auszuprobieren.“

Wie ist es denn eigentlich dazu gekommen, dass die neuen Songs nun viel direkter und offener sind? „Das war im Grunde auch ein natürlicher Prozess“, sagt Katie. „Wir wollen natürlich auch nicht immer denselben Weg bei jeder Platte gehen, diesmal ist es sogar das Gegenteil von dem gemacht, was wir sonst gemacht haben.“ „Wir waren 2022 sehr viel auf Tour und das hat schon einen Einfluss gehabt“, erzählt David, „Ich persönlich wollte einfach Songs schreiben, die viel direkter und druckvoller sind, mehr Varianzen, mehr schnellere, langsamere, lautere oder leisere Parts haben. Wir hatten zuvor eher aus Versehen recht viele Mid-Tempo-Songs geschrieben.“ Was hat sich denn noch verändert? Katie: „Ich denke, wir wollten den Fokus mehr auf die Songs und nicht auf die Produktion und Instrumente legen. Daher hat es Sinn gemacht, unsere Stimmen mehr in den Vordergrund zu bringen und eher dadurch den Song zu steuern, und nicht wie zuvor die Lücken zu füllen.“ „Ja, wir wollten es einfach anders als sonst machen“, führt David weiter aus, „Wir haben so ziemlich alle bisherigen Vorgehensweisen über Bord geworfen und einfach mal den ’normalen‘ Weg genommen, einen Song zu schreiben, mit Akkordfolgen und so zu experimentieren. Bisher war es ja so: ‚Kein Chorus, keine Akkord-Änderung, mach was daraus!’ Das war für uns schon sehr spannend, einfach so zu arbeiten wie man es normalerweise nicht macht. Aber diesmal mussten wir tatsächlich unsere eigenen Regeln verlernen bzw. ablegen.“
Das vereinfacht doch bestimmt auch den Prozess, die neuen Songs live auf der Bühne darbieten zu können. „Ja, durch die vielen Konzerte konnten wir auch schon sehr viel live austesten und sind selbstbewusster an die Sache herangegangen“, erzählt Katie. „Wir haben bei den neuen Songs auch schon mehr darauf geachtet, dass wir sie live spielen können. Wir als Band haben aber auch einen natürlichen Instinkt, wir wissen, was wir spielen können und was nicht, wir machen es uns aber auch nicht einfach. Es gibt Songs oder spezielle Stellen in Songs, die für den ein oder anderen in der Band schwieriger zu spielen sind, aber das macht ja gerade den Reiz an der Sache aus – die Grenzen austesten, sich selbst pushen und herausfordern. Wenn alles sehr einfach wäre, läufst du Gefahr, die Faulheit reinzulassen. Ich brauche schon etwas, das mich ins Schwitzen bringt.“ (Großes Gelächter, weil David am Abend zuvor beim Auftritt im Bahnhof Pauli beim Reeperbahn Festival einen dicken Pullover getragen und dementsprechend geschwitzt hatte.)
Die Musik von Just Mustard eignet sich auch hervorragend als Film-Soundtrack – kurz nach dem Interview erschien z.B. auf Netflix „The Woman in Cabin 10„, die letzten Szenen des Films und der Abspann werden von „We Were Just Here“ von Just Mustard begleitet. Hat die Band irgendwelche Ambitionen, in diese Richtung mehr zu machen? David: „Falls jemand nochmal ein Remake von ‚Der Himmel über Berlin‚ von Wim Wenders macht, würde ich gerne in dieser Szene mitmachen, die ursprünglich Nick Cave innehatte – dort in diesem Club als Band auftreten, das wäre schon sehr cool.“ Katie: „Ich mag die Ross Brothers, Bill and Turner, vor allem ‚Gasoline Rainbow‘.“ David: „Oh ja, ‚45365‚ stammt auch von den Ross Brothers, der Film ist auch großartig.“
Wer weiß, was die Zukunft bringt – Just Mustard haben jedenfalls eine spannende vor sich. Wir begleiten sie sehr gerne auf diesem Weg.
„We Were Just Here“ von Just Mustard erscheint auf Partisan.
Just Mustard auf Tour:
12.04.2026 – Hamburg, Nochtspeicher
13.04.2026 – Köln, Helios 37
10.07.2026 – Berlin, Parkbühne Wuhlheide / als Support von The Cure
11.07.2026 – Berlin, Parkbühne Wuhlheide / als Support von The Cure
12.07.2026 – Berlin, Parkbühne Wuhlheide / als Support von The Cure




