Share This Article
Wenn dieser Tage das Debüt-Album „Sanguine Soul“ der ursprünglich aus Heidelberg stammenden kosmopolitischen Songwriterin Marla Moya erscheint, dann gibt es da Erklärungsbedarf. Denn als Marla (also ohne spanischen Familiennamen) hat die Künstlerin bereits 2016 ihr Solo-Album „Madawasky Valley“ veröffentlicht. Dieses wurde damals von dem kanadischen Songwriter David Celia produziert, den Marla bei Live-Auftritten kennen und schätzen gelernt hatte – und mit dem sie dann eine künstlerische wie private Liaison einging. Zusammen mit David Celia spielte Marla dann zahlreiche Touren und veröffentlichte in der Folge dann die beiden Duo-Alben „Daydreamers“ und „Indistinct Chatter“. 2022 ging die Beziehung dann mit einer letzten gemeinsamen Tour in die Brüche.
Marla nahm sich eine Auszeit von der Musik – bis sie dann sozusagen von der Muse wieder zurück auf den Boden der Tatsachen geholt wurde und begann, neue Songs zu schreiben. Der Grund, warum Marla nun mit einem neuen Namen neu durchstartet, ist darin zu sehen, dass David Celia das bisherige Tun mit seiner musikalischen Expertise doch so stark geprägt hatte, dass sich Marla mit dem neuen Album vor allen Dingen von diesen Einflüssen absetzen und freispielen wollte – und zwar in eigener Regie und mit einem neuen musikalischen Partner. Diesen fand Marla in dem renommierten Songwriter Robert Francis – einem Idol ihrer Jugend – den sie einfach auf Insta gefragt hatte, ob er ihre LP produzieren möchte; was dann in Los Angeles schließlich auch passierte.
Grund genug, Marla einmal unsere zehn Fragen zu stellen.
1. Was ist deine Definition von „guter Musik“?
Es kommt schlicht und einfach darauf an, was man fühlt, wenn man sie hört. Von unfassbar komplexen Arrangements zu Lo-Fi-Aufnahmen von Stimme und Gitarre – solange etwas dabei rüberkommt, was ehrlich ist, Gefühle in einem hervorbringt und den Geist weckt, gibt es da keine Grenzen. Ganz oft verbinde ich gute Musik mit einem harmonischen Zusammenspiel der Beteiligten. Ich finde, das hört man raus, ob zwischen der Band oder den Musizierenden die richtige Energie und somit Spannung, Einfühlsamkeit und alles Weitere für „gute Musik“ harmoniert.
2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Im Grunde war es der Anspruch an mich selbst. Als klar war, dass mein Jugendtraum wahr wird – mein Album gemeinsam mit meinem musikalischen Idol Robert Francis in L.A. aufzunehmen –, wusste ich, dass ich diese Chance voll ausschöpfen wollte. Ich wollte meine musikalische Vergangenheit zurücklassen, bei null anfangen und alles geben, um das bestmögliche Album in die Welt zu setzen.
Bis zu den Aufnahmen habe ich geübt, geschrieben, performt und ausschließlich daran gearbeitet, die stärksten Songs zusammenzustellen. Und sobald die Studioarbeit begann, war meine gesamte Aufmerksamkeit dort. Während des Aufnahmemonats war ich in L.A. quasi nicht ein einziges Mal aus – wir waren an 28 von 30 Tagen, im Schnitt neun Stunden täglich im Studio.
Als das Album schließlich gemastert war, habe ich mich gewissermaßen selbst eingestellt – 40 Stunden die Woche –, um ein Label zu finden, meinen Künstlernamen zu ändern, Musikvideos zu drehen und mit diesem Album alles für einen starken Beginn als Newcomerin zu geben. Kurz gesagt: Mein größter Einfluss war, mich selbst stolz zu machen, statt zu überlegen, was anderen gefallen könnte. Nebenbei hat mich aber auch die Entwicklung von Künstlerinnen wie Jessica Pratt und Weyes Blood inspiriert, die sich von melancholischen Klängen hin zu helleren, rhythmischeren Alben entwickelt haben – das fand ich wahnsinnig spannend und prägend.
3. Warum sollte jeder deine neue Veröffentlichung kaufen?
Heutzutage wird nur noch selten live, ohne Klicktrack und direkt auf Tape aufgenommen. Genau das haben wir auf diesem Album gemacht. Das Zusammenspiel der Band – bestehend aus Joachim Cooder, Robert Francis, Rob Douglas und mir – war dabei im völligen Einklang. Wir haben uns gegenseitig zugehört, aufeinander reagiert und haben uns somit als Einheit in die Songs fallen lassen.
Mir wird oft gesagt, dass meine Musik sich unbemerkt in die 60er und 70er Jahre einordnen ließe, dabei aber den heutigen Zeitgeist trifft. Viele Bands klingen entweder retro oder modern. Das war für mich also ein wirklich spezielles Kompliment, das sich bestätigend oft wiederholt hat. Dieses Album bewegt sich irgendwo dazwischen, und genau das macht es für mich besonders. Die Songs sind catchy, bewegend, dramatisch und gleichzeitig zugänglich – irgendwie ist da für jede:n etwas dabei.
4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker/-in gekauft?
Was ich mir von meiner allerersten Gage genau gekauft habe, weiß ich vermutlich nicht mehr – wahrscheinlich gehörten die ersten Biere meines Lebens dazu. Das war ja immerhin Teil des Singer-Songwriter-Musiker-Daseins! Aber kurz nach meinen ersten Gigs wollte ich unbedingt eine Les Paul-Gitarre haben. Für den Anfang hat mir eine Epiphone vollkommen gereicht – und das gute Stück besitze und liebe ich bis heute noch!
5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker/-in werden wolltest?
Ironischerweise war einer der wichtigsten Auslöser – wie schon erwähnt – Robert Francis. Ich wollte zwar schon immer singen und habe jahrelang täglich Pop-Cover geübt. Ich hatte einen dicken Ordner voller ausgedruckter Songtexte und dazu Karaoke-Versionen aus dem Internet heruntergeladen. Aber der Moment, der wirklich alles verändert hat, war das Konzert von Robert Francis als Support von Milow, als ich junge 14 Jahre alt war. Das war mein erster richtiger Kontakt mit Americana- und Singer-Songwriter-Musik, und ich wusste kaum, wie ich mit dem Gefühl umgehen sollte – alles daran hat komplette Resonanz in mir gefunden und mir war klar, eines Tages würde ich wie er auf der Bühne stehen und mein Herz in eigenen Kompositionen ausschütten. Mit dem Album in der Tasche ging ich nach Hause, packte nach Schulschluss die Gitarre meiner Schwester, lernte drei Akkorde und schrieb noch am selben Tag meinen ersten Song. Mit 15 spielte ich meinen ersten Gig und habe seitdem nie aufgehört, zu schreiben, zu spielen und zu performen.
6. Hast du immer noch Träume – oder lebst du den Traum bereits?
Natürlich habe ich noch immer Träume! Das Träumen – vor allem Tagträumen – ist ein großer Bestandteil meines Alltags, für die rare Minute, abdriften ins Nirgendwo, lasse ich mich sehr ungerne stören. Dabei denke ich meist nichts, während mein Gehirn sonst ständig im Gange ist. Zurück zur eigentlichen Frage. Ein großer Traum wäre tatsächlich, mit diesem Album einen kleinen Durchbruch zu erreichen und im kommenden Jahr auf Festivalbühnen zu spielen, mit der Band auf große Support-Touren zu gehen und schrittweise einen Weg in die Herzen vieler Menschen zu finden, die sich noch in ferner Zukunft über meine neuen Werke freuen.
7. Was war deine größte Niederlage?
Diese Frage beantworte ich tatsächlich als Letztes – und das nicht, weil ich meine größte Niederlage aus Scham verschweigen möchte, sondern weil mir ehrlich gesagt keine so richtige einfällt. Natürlich gab es Rückschläge und Zweifel, aber nichts, was sich wirklich wie eine Niederlage anfühlte.
Ich glaube fast, die größten Niederlagen stehen mir noch bevor – zum Beispiel, wenn Konzerte oder eine Tour abgesagt werden müssen, weil nicht genug Tickets verkauft wurden. Davor graut es mir wirklich.
8. Was macht dich derzeit als Musiker/-in am glücklichsten?
Vermutlich das Wissen, einen Platz in dieser wimmelnden Welt unzähliger, wahrhaftig talentierter Musiker:innen gefunden zu haben. Noch vor den Aufnahmen dieses Albums war mein Selbstbewusstsein ziemlich im Keller. Doch vom ersten Tag im Studio bis hin zu all den Reaktionen auf die bisher veröffentlichten Singles wurde mir nach und nach klar: Ich habe tatsächlich eine Stimme – und ein Gespür dafür, gute, ungewöhnliche und tiefgründige Songs zu schreiben.
Auch wenn ich mich selbst für eine ziemlich schlechte Gitarristin halte, habe ich ein verdammt gutes Rhythmusgefühl. Die Dekade meines Cellospiels in der Kindheit hat sich also in mehrfacher Hinsicht gelohnt – auch wenn ich das Instrument damals am liebsten regelmäßig aus dem Fenster geschmissen hätte.
9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?
Hmm…das schlechteste Lied gibt’s eigentlich gar nicht. Musik ist Geschmackssache – was für mich gar nicht funktioniert, bedeutet vielleicht jemand anderem die Welt. Aber es gibt auf jeden Fall Songs, die ich nach dem ersten Refrain nie wieder hören möchte.
10. Wer – tot oder lebendig – sollte auf deiner Gästeliste stehen?
Witzig, dabei trennen sich die Wege doch sehr – je nachdem, ob es darum geht, wer das Konzert sehen oder mit wem ich danach im Backstage feiern würde. Für Letzteres vermutlich Jim Morrison oder John Lennon – da würde es sicher nicht langweilig werden…
Im Publikum hingegen würde ich mich unglaublich freuen, Karen Dalton dabeizuhaben. Jedenfalls ist sie mir beim Lesen der Frage direkt in den Kopf geschossen. Nach dem Lesen ihrer Autobiografie war ich ein noch größerer Fan als zuvor. Sie hatte eine solch unschuldige, reine Art, Musik zu fühlen und an Dinge heranzugehen. Ich habe mich ihr beim Lesen wirklich sehr nahe gefühlt. Auch wenn wir musikalisch in sehr verschiedene Richtungen gehen, glaube ich, sie würde sich bei meinem Konzert und der Ehrlichkeit, die ich mitbringe, sehr wohl fühlen.
„Sanguine Soul“ von Marla Moya erscheint auf Backseat/Broken Silence.




