Vor rund zwei Jahren nutzte Altmeister John Cale bedrohliche Synth-Soundscapes, um auf seinem vielbeachteten Album „Mercy“ eine klaustrophobische und beunruhigende Atmosphäre zu erzeugen – das klangliche Sinnbild für eine dem Untergang geweihte Zivilisation, eine Welt am Abgrund, um die sich die Songs inhaltlich drehten. Auch die Texte des nun erscheinenden Nachfolgers sind von Wut, Sorge, Skepsis und Unverständnis geprägt, wenn sich der walisische Ausnahmemusiker über mutwillige Zerstörung, unkontrollierte Kapitalisten und reuelose Betrüger im Hier und Jetzt auslässt und damit unterstreicht, dass er selbst mit 81 Jahren die Zukunft fest im Blick hat. Eine „POPtical Illusion“ ist das Werk nicht zuletzt deshalb, weil Cale hier seine Verzweiflung und Unsicherheit anders als auf dem niederschmetternden Vorgänger in Klänge hüllt, die oft leichter und luftiger anmuten und das Publikum so bisweilen in trügerischer Sicherheit wiegen, bis er textlich zum nächsten Schlag ausholt und seine vom Leben gezeichnete Stimme zu unterstreichen scheint, dass hier nichts beschönigt werden soll.
Soundtechnisch ist so auf dem zusammen mit seiner langjährigen Mitstreiterin Nita Scott eingespielten Album Cales ungebrochener Wille allgegenwärtig, seinen avantgardistischen Neigungen zu folgen und dabei immer wieder bewusst die Erwartungshaltung des Publikums zu zerstören. In den 13 Songs widmet er sich seinem mal mehr, mal weniger zeitgeistigen Verständnis elektronischer Popmusik mit Ecken und Kanten, kann aber doch immer dann am meisten begeistern, wenn er sich am weitesten davon entfernt: Das wuchtige „Company Commander“ schubst er auf Industrial-Terrain, beim Reverb-getränkten „Shark-Shark“ hallt das Drone-Echo von The Velvet Underground nach, und beim nicht ganz zufällig als Single ausgewählten „How We See The Light“ lugt unter der synthetischen Oberfläche der Geist von Cales inzwischen rund 50 Jahre altem Meisterwerk „Paris 1919“ hervor. Auch wenn dem Album sicherlich die zeitlose Schönheit und die bahnbrechenden Innovationen fehlen, durch die Cale schon früh in seiner Karriere unsterblich wurde, unterstreicht „POPtical Illusion“ am Ende doch seine künstlerische Unbestechlichkeit.
„POPtical Illusion“ von John Cale erscheint auf Domino/GoodToGo.