Die Avett Brothers haben sich im Laufe ihrer Laufbahn insbesondere durch ihre mit manischer Intensität vorgetragenen Live-Konzerte (die so nicht selten in eine Art alternativer Gospel-Predigt auszuarten pflegen) eine treue Gefolgschaft geschaffen, die die Band geradezu sprichwörtlich auf Händen trägt. Das Problem dabei war bislang, dass bei aller Inbrunst, Authentizität und Hingebung der Brüder aus North Carolina sich diese ein Genre ausgesucht hatten, das – sagen wir mal – schon recht gut abgeerntet erscheint. Wer dann eben nicht auf energisch vorgetragenen Hillybilly-Gospel-Country steht, der blieb bislang außen vor.
Auf diesem neuen Album bieten die Herren nun allerdings eine weit gestreute musikalische Palette an, in der das musikalische Predigen nun nur noch einen Aspekt von vielen darstellt. In der bewährten Konstellation – also mit Unterstützung von Über-Produzent Rick Rubin und unter Mitwirkung von Studio-Musikern – schufen sie einen Song-Kanon bei dem Songwriting, Arrangements, stilistische Vielfalt und handwerkliche Finesse mindestens genauso wichtig sind, wie eine intensive Darbietung. Scott Avett formulierte dies so, dass er das Album mit der Überlegung angegangen sei, was man tun müsse, um sich von gewissen Angewohnheiten zu trennen – und gibt auch gleich die Antwort: Variieren was das Zeug hält. Zumindest musikalisch, denn inhaltlich weichen die Avetts nicht von ihrem Prinzip ab, durchaus auch düstere Aspekte spirituelle zu betrachten. Das ist auch gut so, denn darauf basiert ja ihre Glaubwürdigkeit. Musikalisch aber öffnen die Avett Brothers mit diesem Werk die Tür auch für Leute jenseits der Retro-Americana-Grenze.
„The Carpenter“ von The Avett Brothers erscheint auf Republic/Universal.
