Mit ihrem letzten Album, „Victorian America“, hatte sich Emily Jane White nicht nur eine eigene musikalische Nische erarbeitet, sondern sogar eine Art alternativen Gegenentwurf zur tatsächlichen (musikalischen) Geschichte: Emily macht zwar folkbasierte Americana, die indes einem ganz eigenen ästhetischen Prinzip folgt. Das tut auch das neue Werk, das nahtlos an „Victorian America“ ansetzt und wieder mit sparsam arrangierten Songs glänzt, in denen akustische Gitarren und Cellos mit Emilys atmosphärischem Gesang um die Vorherrschaft balgen und nur gelegentlich mal eine Band oder andere Zutaten aufblitzen und Akzente setzen. Alles wie gehabt, könnte man meinen, wären da nicht die zunehmend souveräneren Songs und die angenehmen Melodiebögen, die Emily aus dem Ärmel schüttelt. „Sentience“ ist ein philosophisch verbrämter Begriff, der die Fähigkeit, fühlen und wahrnehmen zu können ausdrückt – und darum geht es Emily bei dem neuen Material. Und das überträgt sich dann natürlich auch auf den Hörer, was den Zugang zu den Songs immens erleichtert. Emily zeigt hier somit, dass man auch ohne große Geste und laute Töne nachhaltig Wirkung erzeugen kann. Beeindruckend!
„Ode To Sentience“ von Emily Jane White erscheint auf Talitres/Rough Trade.