Als die Nachricht, dass Neal Morse seine Band verlassen würde, um künftig allein seinem Christenglauben zu leben, die kleine, aber kaufkräftige und leidenschaftliche Progrock-Gemeinde erschütterte, dauerte es nicht lang, bis Befürchtungen auftauchten, ein wahrscheinlich erscheinendes Weitermachen der Band ohne den charismatischen Hauptkomponisten, Sänger, zweiten Gitarristen und Steuermann mit Drummer Nick D’Virgilio am Mikro könnte den Wunsch auftauchen lassen, sie hätten nícht weiter gemacht…
Die Situation ist da (wie Adenauer sagte), die Platte auch: Haben die Schwarzseher bzw. -hörer recht behalten? Sowohl als auch. „Feel Euphoria“ enthält zwar einige wenige angekitschte Schmachtfetzen (z.B. „Shining Star“), welche Pessimisten aus Nicks Soloschaffen und den Beard-Stücken, bei denen er schon gesungen hatte, damals bereits hochgerechnet hatten. Die Platte enthält aber auch einige der feineren Stücke der glanzvollen Karriere mit soooo nem Bart. Denn teils langen die verbliebenen Mitglieder wie Neals Bruder Alan an der Gitarre und Tastenwunder Ryo Okumoto hier wie entfesselt oder eher wie befreit in die Instrumente. Vielleicht bestes Beispiel das siebenminütige „Ghosts Of Autumn“, das sich von einer beschaulichen Piano-Ballade zu einem so ausdrucksvollen Gitarrensolo steigert, wie man es von den Vulkaniern sonst nur live kannte.
Mit „A Guy Named Sid“ ist sogar wieder ein sechsteiliges Magnum Opus enthalten, so wie echte Bärtefans es erwarten zu können gewohnt sind. Die unsereinem nicht vorliegende Limited Edition wird wohl mit noch mehr Schmankerln glänzen. Diese Scheibe ist sicher kein zweites „The Kindness Of Strangers“, aber es wäre ebenso sicher zu früh, die Band jetzt abzuschreiben. Im Sommer soll sie sich übrigens hier wieder zu Konzerten einfinden, u.a. anlässlich des zehnjährigen Jubiläums vom Label InsideOut.
„Feel Euphoria“ von Spock’s Beard erscheint auf InsideOut/SPV.