Wenn der vermutlich herausragendste amtierende Rockschlagzeuger des Erdenrunds, Queensryche-Gründer Scott Rockenfield ein „Soloalbum“ absondert, massiert das die Gehörknöchelchen schon mal in eine gewisse Erwartungshaltung: Totale Fehlanzeige! Nix mit Powerdrumming-Attacken wie etwa bei Cozy Powells (R.I.P.) „Tilt“. Auch Show-off-Arien à la Iron Butterfly oder Stargästebesetzungen wie bei Billy Klopham werden nicht geboten. Stattdessen extrem ruhige Musik zu einem (noch) nicht existierenden Film, bei der das letzte Stück konsequenterweise sogar „End Credits“ (also etwa „Abspann“) heißt.
Auf des Rezensenten verstörtes Nachfragen antwortete der Ausnahmedrummer liebenswürdigerweise, dass er zwar durchaus an der einen oder anderen Stelle der Platte richtiges Schlagzeug einsetze, dass aber „The X Chapters“ eine grundsätzlich andere Zielsetzung hätte, als seinen Drumstil zu featuren: Nämlich eine Reise durch das Leben mit seinen verschiedenen Phasen oder „Kapiteln“ auszudrücken – primär Scotts Leben, aber er hofft, dass viele Hörer darin etwas wiederfinden können. Außerdem habe er sich mit diesen Stücken als ganzheitlichen Komponisten bestätigen wollen, nicht als Rhythmus-Tier.
Hat man diese Überraschungen erstmal verdaut, kann man die „X Chapters“ aber durchaus mit Gewinn aufschlagen. In den Liner Notes erläutert der immer wieder von Musikern als Vorbild und Lieblingsmusiker genannte Scott, dass er seit dem ersten Erwerb eines (leider nicht spezifizierten) Soundtracks im Jahr ’84 den Traum hatte, selbst Musik für „Visuals“ einzusetzen. Das Ergebnis dieses Traumes liegt nun vor. Und sperrt sich etwas gegen Vergleiche. Die rein instrumentalen Kompositionen beruhen auf alles dominierenden, aber ruhig an Soundscapes bastelnden Keyboards – rasende Läufe kommen hier nicht vor. Die Schlagzeugpassagen sind unauffällig und klingen unglaublicherweise bislang sogar nach Drumcomputer… Insgesamt gemahnt dieser Imaginary Soundtrack eher an Pink Floyds Filmmusiken oder an Jeff Beck’s „Frankie’s House“, als dass man auch nur auf die Idee kommen könnte, dass hier ein Queensryche-Musiker zugange ist. Für ruhige Stunden%3B müsste eigentlich besonders klasse vom CD-Man kommen, wenn man im Zug durch herbstliche Landschaften rattert.
PS: Offensichtlich ist geplant, dem Soundtrack eine Art (Zeichentrick-)Film nachfolgen zu lassen, die erste Episode soll auf dem zweiten Track des Albums, „Survival Instincts“ beruhen.
PPS: Eine in 1,5-Punkt-Ameisenmittintendurchfall-Schrift gehaltene Fußnote im Booklet weist darauf hin, dass das „low end“ dieser Aufnahmen „etwas angehoben wurde“, um den Eindruck zu verstärken, der Hörer sitze im Kino. Dies ist eine zarte Untertreibung – die Subwoofer-Anlage des Rezensenten schickte sich nach dem Einlegen von „X Chapters“ zu einer Art „China Syndrom“-Kernschmelze an – Wahnsinnssound…
„The X Chapters“ von Scott Rockenfield erscheint auf Rockenfieldmusic.