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Mit ihrer Band Black Swift sorgte die US-amerikanische Wahlberlinerin erstmals für Aufhorchen in Sachen „post-punkified Americana n‘ Roll“ – wie sie es selber nennt. Nun schlägt sie mit dem Album „The Darkness In Me“ ein neues Kapitel auf und setzt nochmal mächtig eins drauf, denn dieses spielte sie mit Mitgliedern von Giant Sand ein – unter anderem mit Gabriel Sullivan, der das Album auch produzierte und als Gesangspartner aushilft. Grund genug, ein Mal nachzuhören, wie dieses Projekt zustande kam.
„Ich bin im Südwesten von Michigan auf einer Hobbyfarm aufgewachsen, während Country-Musik aus der Garage meines Vaters in unsere jungen Ohren strömte. Als Kind nahm ich Klavierunterricht und als Teenager wechselte ich zur E-Gitarre… wo ich auch Grunge-, Industrial- und Punkrock-Musik als das entdeckte, was ich liebte und zu dem ich mich hingezogen fühlte. Nach der High School zog ich nach Minneapolis, Minnesota, um Kunst zu studieren. Dort hatte ich eine Emo-orientierte Post-Punk-Band namens Standbye. Wir haben zwei Alben zusammen aufgenommen. Im Jahr 2004 zog ich nach Deutschland, nachdem ich bei einem Aufenthalt in Indien einen Deutschen kennengelernt und geheiratet hatte – und startete Black Swift. Dabei handelt es sich um ein Projekt, bei dem ich meine eigene Songs mit einer wechselnden Besetzung von Musikern aufnahm. Mit der Hilfe meiner Fans habe ich vier Black Swift-Alben (zwei Eps, zwei Full-Lengths) selbst veröffentlicht und beim letzten Album – „Desert Rain“ – hatten wir die Ehre, mit der legendären Produzentin Sylvia Massy (Johnny Cash, Tool, etc.) zu arbeiten. 2016 trat ich bei ‚The Voice of Germany‘ auf und arbeitete mit Michi & Smudo von Die Fantastischen Vier sowie Robbie Williams zusammen.
Anfang 2019 beschloss ich dann, unter meinem Namen ‚Sally Grayson‘ zu spielen. Es begann damit, dass Leute Soloversionen von Black Swift-Songs verlangten. Ich wollte eine abgespeckte Version meiner Songs haben. Ich begann, Homerecordings ausschließlich auf Patreon zu veröffentlichen. Dann kam die Pandemie und ich startete ein Projekt namens ‚Sonic Fever‘, bei dem ich Lieder über die Corona-Zeiten schrieb, um uns zu helfen, durch diese Zeiten zu kommen. Für jeden Song habe ich einen Musiker zur Zusammenarbeit eingeladen, und dieser wiederum hat den nächsten Musiker eingeladen (wie ein Virus) und wir haben über die Distanz vier Songs und vier Musikvideos mit Musikern wie Elise Trouw und Dominik Kraemer, Gemma Clark (Ex-Schlagzeugerin von Babyshambles) und mehr aufgenommen. Die Songs sind alle sehr abwechslungsreich, da jeder Song von einer anderen Besetzung stammt und sich auch deutlich von meinem kommenden Album unterscheidet.“
Ja gut – aber das erklärt doch noch nicht, wie man sich Giant Sand als Backing-Band angelt? „2016 schaute ich mir Gabriel Sullivans Band XIXA an. Ich mochte die XIXA-Show und die Musik sehr, kaufte eine Platte und ging nach Hause und hörte sie mir an. Ich war von der Produktion so beeindruckt und mochte den Klang sehr. Zu dieser Zeit wollte ich gerade ins Studio gehen, um Black Swifts ‚See Me Human‘-Album aufzunehmen und suchte jemanden, der es mischen würde. Also schrieb ich eine eMail über die XIXA-Website und fragte, wer ihre Platte gemischt habe. Gabriel schrieb zurück und sagte, dass er in diesem Studio namens ‚Dust and Stone‘ in Tucson gearbeitet habe. Also fragte ich ihn, ob er meine Platte mischen würde, und er tat es! Seitdem sind wir Freunde und wenn XIXA in die Stadt kamen, sprang ich gelegentlich auf die Bühne und sang mit ihnen ein Lied. Durch meine Erfahrung mit Sylvia Massy wurde mir klar, dass ich in Zukunft immer mit einem Produzenten zusammenarbeiten wollte. 2021 waren XIXA also wieder in Deutschland unterwegs und nach einer Show habe ich mit Gabriel darüber gesprochen, wie er produziert. Er erzählte mir, dass er zuerst mit dem Künstler zusammenarbeitet, die Songs auswählt und verfeinert, dann kommen Session-Spieler hinzu – auch bekannt als The Tucson Wrecking Crew. Das sind Musiker, die mit Acts wie Bob Dylan, Alice Cooper, Nick Lowe und Calexico zusammengearbeitet und getourt haben. Die Musiker haben alle die Lieder noch nie gehört, aber nachdem sie sie zwei- bis dreimal durchgespielt haben, wird die Aufnahmetaste gedrückt und die Magie geschieht. Und so hat es funktioniert. Die Aufnahme dort hat mir absolut Spaß gemacht. Gabriel nahm dann Overdubs auf und wir ließen verschiedene Gastmusiker aufnehmen, nachdem die Hauptsession vorbei war.“
Kommen wir mal zu unseren zehn Fragen…
1. Was ist deine Definition von „guter Musik“?
Etwas, das zu meiner Seele spricht – so einfach ist das. Etwas, das mich bewegt. Für mich ist das tendenziell düsterer, innovativ und experimentell was die Mischung von Genres betrifft.
2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?
Als ich diese Songs schrieb, habe ich nicht immer absichtlich darüber nachgedacht, sie einem bestimmten Genre zuzuordnen, sondern ich habe einfach im Fluss und mit dem, was dabei herauskam, geschrieben. Ich liebe Moll-Akkorde, daher gibt es immer eine Menge davon. Ich habe dieses Album in einer ziemlichen Übergangsphase meines Lebens geschrieben – als ich mich scheiden ließ und umzog. Die Mischung enthält also jede Menge Herzschmerz und Sehnsucht, aber einige der Songs berühren auch Themen, die mir am Herzen liegen – zum Beispiel einen Weg zu finden, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen. Drei der Lieder – „The Darkness In Me“, „God Forbid“ und „Dig“ – wurden von einem antirassistischen Buchclub beeinflusst, in dem ich Mitglied bin, und mir wurden die Augen geöffnet, als mir klar wurde, dass ich eine Menge Arbeit leisten müsste, den Rassismus in mir hervorzukehren. Ich glaube, das ist eine Arbeit, die wir alle leisten müssen.
Was das Genre angeht, wusste ich, dass die Entscheidung, Gabriel Sullivan als meinen Produzenten zu engagieren, einen großen Einfluss darauf haben würde, was aus den Songs letztendlich wird. Ich bin ein großer Fan von Gabriels Arbeit, seit ich seine Band XIXA zum ersten Mal spielen sah. (Hört euch auch „Inezona“, seine Soloalben und die Platten an, die er mit Brian Lopez gemacht hat – SO GUT!) Er beschreibt die Produktionen, die aus seinem Studio kommen, als „Western Gothic“. Und das ist definitiv auch das, was meine Songs nun auszeichnet. Sie haben den südwestlichen Spaghetti-Western-Desert-Sound – gemischt mit dunklen Synthesizer-Elementen und viel von Gabriels knallharter Gitarrenarbeit. Gabriel ist nicht nur ein herausragender Produzent, sondern zusammen mit Tontechniker Frank Bair zaubern sie bei „Dust And Stone“ absolute Magie. Gabriels einzigartiger Sound kommt auch in den Mixen zum Ausdruck und er spielte bei fast jedem Song mit. Ich habe fast 40 Songs geschrieben, aus denen Gabriel die besten auswählen konnte. Es steckt so viel Arbeit und Liebe in der Entstehung dieser Songs und ich bin SO stolz auf das Ergebnis. Ich kann ehrlich sagen, dass dies die bisher beste Platte meines Lebens ist.
3. Warum sollte jeder deine neue Veröffentlichung kaufen?
Stell‘ dir vor, dass PJ Harvey mit Nick Cave, Mark Lanegan und Calexico einen Roadtrip durch die Wüste unternimmt und Lieder über Liebe und Verlust, Gleichheit und Gerechtigkeit schreibt, die voller Sehnsucht und Verlangen sind. Wenn das nach einem Roadtrip klingt, den du gerne machen würdest, wirst du meine neue Platte LIEBEN!
4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker/-in gekauft?
Oh, das ist lange her, ich schätze, ich habe wahrscheinlich entweder mehr Ausrüstung gekauft oder eine CD einer Band, die ich liebte.
5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker/-in werden wolltest?
Als ich als Teenager Grunge, Industrial, Punkrock und Metal für mich entdeckte, besuchte ich eines Tages meinen Cousin Keith und er spielte einen Metallica-Song auf der Gitarre. Ich war sehr beeindruckt. Er sagte, er könne es mir beibringen, und das tat er auch. Danach habe ich mir zu Weihnachten eine E-Gitarre gewünscht und seitdem ist mein Leben nicht mehr dasselbe.
6. Hast du immer noch Träume – oder lebst du den Traum bereits?
Beides. Ich lebe gerade wirklich den Traum. Ich bin so unglaublich dankbar, dass ich ein kreatives Leben mit der Zeit habe, Kunst und Musik zu machen. Aber es gibt immer Träume davon, ein höheres Level zu erreichen. Mein großer Traum besteht darin, mit einer kompletten Band eine kraftvolle und bedeutungsvolle Live-Show zu veranstalten, die einem größeren Publikum unvergessliche Erlebnisse beschert. Ein Teil dieses Traums wird auf meiner USA-Tour wahr. Ich habe ein paar Shows mit der Band, mit der ich auf dieser Tour aufgenommen habe, es wird so gut!
7. Was war deine größte Niederlage?
Ich bin ein sehr positiver Mensch, daher ist diese Frage schwer zu beantworten. Ich habe sicherlich einiges an Leid erlebt, aber ich habe daraus gelernt und bin daran gewachsen. Wahrscheinlich einer der schwierigsten Übergänge meines Lebens war, als ich in Indien als Sozialarbeiterin/Krankenschwester arbeitete, einen Burnout erlitt und wieder gehen musste. Es war nämlich unglaublich bedeutsam, sehr praktische Arbeit zu leisten, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen – und der Abschied war sehr schmerzhaft. Aber mir wurde klar, dass ich keine Krankenschwester oder Sozialarbeiterin bin, sondern Musikerin und Künstlerin. Meine Arbeit ist jetzt viel nuancierter, aber ich bin bestrebt, Authentisches zu erschaffen, und ich glaube an die Kraft von Kunst und Musik, auch wenn es nur darum geht, etwas Schönes zu schaffen. Das ist auch auf eine andere Art auch kraftvoll.
8. Was macht dich derzeit als Musiker/-in am glücklichsten?
Etwas zu erschaffen und mich mit anderen zu verbinden. Das ist es, was ich am Leben liebe. Zeit zu haben, kreativ zu sein, ist tatsächlich ein Bedürfnis von mir. Ich habe das Gefühl, ich würde explodieren, wenn ich mir nicht die Zeit nehme, zu schreiben, zu singen oder etwas Künstlerisches zu machen. Und ich verbinde mich mit meinen Followern und Fans. Gelegentlich bekomme ich Briefe von Leuten, die mir sagen, dass ein Lied, das ich geschrieben habe, ihnen etwas bedeutet – und das ist die beste Belohnung, die man sich wünschen kann.
9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?
Oh, es gibt eine Menge Songs da draußen, die ich nicht mag. Aber da ich gerade über mein jugendliches Ich gesprochen habe, würde ich „Step By Step“ von New Kids On The Block sagen. Als ich als Teenager dabei war, mein authentisches Punkrock-Ich zu werden, waren die New Kids On The Block beliebt – und ich HASSTE sie. Dann schenkte mir eines Tages jemand aus Spaß einen Schlüsselanhänger aus Metall, der aussah wie ein „New Kids On The Block“-Ticket. Ich brachte es in die Garage meines Vaters, befestigte den Schraubstock, nahm einen Hammer und zerstörte es. Haha, also nenne ich dieses Lied als Gruß an mein jugendliches Ich und bezeichne es als eines der schlechtesten Lieder.
10. Wer – tot oder lebendig – sollte auf deiner Gästeliste stehen?
Patti Smith. Sie ist ein großes Vorbild für mich. Nicht nur wegen ihrer Musik, sondern auch wegen ihrem Aktivismus, ihrer Authentizität und der Art und Weise, wie sie weiterhin kreativ ist und sich präsentiert – was für Frauen, die in der Musikindustrie älter werden, nicht immer einfach ist. Sie ist meine Heldin.
„The Darkness In Me“ von Sally Grayson erscheint auf CDBaby.