In einem älteren Interview machte Esther Rose deutlich, dass es ihr nicht darum ginge, ihre Songs als musikalische Tagebucheinträge anzulegen – auch wenn diese großteils eine autobiographische Note zu haben scheinen – weil es schließlich in der Kunst nicht darum gehen könne, Erlebtes oder Erfahrenes eins zu eins nachzuerzählen. Vielleicht legt sie es auf dem nun vorliegenden, fünften Album „Want“ auch gar nicht mehr darauf an, konkrete Geschichten zu erzählen, sondern teilt uns Hörern einfach ihre Gedanken mit. So listet sie in dem Titeltrack einfach alle Dinge auf, die sie sich wünscht (77 an der Zahl), macht sich in „Had To“ über die Verlockungen des Alkoholkonsums lustig oder in dem Song „Ketamine“ über Abhängigkeiten im allgemeinen.
Ganz klar haben solche Songs dabei einen autotherapeutischen Charakter, denn inzwischen hat Esther Rose das Trinken drangegeben und sich therapeutische Hilfe auch neben der Musik gesucht. Musik ist also das Medium über das Esther Rose ihr Leben verarbeitet. Tatsächlich hatte das Album zeitweise den Arbeitstitel „The Therapy LP“ – das wohl auch deswegen, weil sie sich auf diesem Alben Themen widmete, die sie bisher gemieden hatte und die man tatsächlich am besten in der Therapie aufarbeiten sollte – oder in Träumen, wie sie in dem mit Dean Johnson vorgetragenen Song „Scars“ darlegt. Es wird dabei nicht immer klar, was Esther Rose in Songs wie „Messenger“ (dessen vollständiger Text lautet „Messenger – Who do I find in the Corners of my mind?“) ausdrücken will – aber das Anliegen, sich den eigenen Dämonen stellen zu müssen, wird dennoch deutlich.
Musikalisch setzte Esther Rose zwar auf die bewährte Zusammenarbeit mit Produzent Ross Farbe (Video Age), der auch schon ihre letzten Alben betreute – leistete sich aber den Luxus, sich stilistisch deutlich breiter aufzustellen. Ihre ursprünglichen Americana- und Country-Roots hatte sie bereits auf dem letzten Album „Safe To Run“ weitestgehend hinter sich gelassen – aber auf dem neuen Werk geht die Sache noch deutlicher in Richtung Indie-Pop und -Rock. Zwar gibt es auch auf diesem Album Akustik-Balladen wie zu Beginn ihrer Laufbahn – aber hinzu kommen beispielsweise Akustik-Rock („Tailspin“), Jangle-Pop („Had To“), Psych-Rock („Ketamine“), Shoegaze-Dreampop („The Clown“) und die abschließende, ziemlich freistilge, mit Klavier, Steel-Gitarre und Effekten angereicherte Psychedelia-Ballade „Color Wheel“. Das merkwürdige Cover Motiv – das Esther in verschiedenen Outfits (Hochzeitskleid, Ledermontur und Business Suit) zeigt, erklärt sich dadurch, dass sie (wie weiland David Bowie) in verschiedenen Outfits zu den Aufnahmesessions mit ihren Musikern gekommen war, um so den Tenor für die jeweiligen Songs festzulegen. Es ist anzunehmen, dass dieses Rezept funktioniert hat, denn „Want“ ist zweifelsohne Esther Roses vielseitigste, facettenreichste und ambitionierteste Scheibe geworden.
„Want“ von Esther Rose erscheint auf New West/Bertus.