Platte der Woche KW 18/2025
Auf ihrem zweiten Album setzt sich Sabrina „Blondshell“ Teitelbaum mit einem interessanten Konzept auseinander. Der Titel des Albums „If You Asked For A Picture“ bezieht sich auf eine Zeile aus dem Gedicht „Dogfish“ der amerikanischen Autorin Mary Oliver, die sich darin Gedanken darüber macht, wie viel man von sich preisgeben sollte, wenn man die eigene Geschichte erzählt. Blondshell übernimmt dieses Konzept und kommt zu dem Schluss, dass es wohl effektiver ist, als Songwriterin Momentaufnahmen im „Slice Of Life“-Stil auszuwählen, als alles bis ins letzte auszubuchstabieren. Und so enthalten die neuen Songs zwar durchaus detailgespickte Narrativen, die die geschilderten Situationen zwar greifbar im Raume stehen lassen – aber keine weiteren Erklärungen und schon gar keine konkreten Abschlüsse – was nicht verwunderlich ist, denn ein Thema des Albums ist die Kontrolle – bzw. die Aufgabe derselben.
Auf diese Weise erfahren wir zwar eine ganze Menge aus Sabrinas Leben – aber lernen sie dabei nicht unbedingt besser kennen, denn die Situationen, die sie in Tracks wie „T & A“, „Arms“, „What’s Fair“ oder „Event Of A Fire“ mit zum Teil überraschender Offenheit und explizierter Wortwahl, aber einer erkennbaren emotionalen Distanz und einer gehörigen Prise Stoizismus schildert, sind so spezifisch, dass sich nicht ohne weiteres auf die eigenen Befindlichkeiten übertragen lassen – zumal es oft um enge Familienmitglieder geht. Als Role-Model taugt Blondshell (anders als viele ihrer Kolleginnen) also nur bedingt – übrigens auch deswegen, weil es hier keine Vorwürfe an ausgemachte Schuldige gibt, an denen man sich als Fan abarbeiten könnte, sondern eine eher neutrale Schilderung.
Musikalisch hat dieser Ansatz zur Folge, dass die Songs – zumindest auf der ersten Hälfte der Scheibe – einer flachen Struktur ohne erkennbare Refrains daherkommen; wohl um der wortreichen Narrative Vortrieb zu leisten. Stilistisch bedienen sich Blondshell und Produzent Yves Rothman dabei erneut aller gängigen Spielarten angesagter Indie-Rock-, Post-Punk-, Schrammelpop- und Alt-Songwriter-Stilistiken. Interessanterweise sagt Sabrina ja, dass sie sich dabei von Klischees männlicher Acts inspirieren lasse, die sie dann spielerisch aus einer weiblichen Perspektive interpretiere – was vielleicht auch erklärt, dass ihre Musik nicht nur bei jungen, weiblichen Fans gut ankommt. Ab dem Song „23’s A Baby“ – einer Reflexion über eine Eltern/Kind-Beziehung – kommen dann langsam wieder jene hymnischen Momente mit ausholenden Melodiebögen, Breitwand-Power-Chords, Mitsing-Refrains, Chorgesängen und elaborierten Zwischenspielen, Bridges und Soli zum Tragen, die bereits das selbstbetitelte Debütalbum so essentiell gemacht hatten. Letztlich funktioniert diese Dramaturgie aber – denn über die bis zum Ende der Scheibe immer besseren Songs wird ein Spannungsbogen erzeugt, dem man sich als Zuhörer kaum entziehen kann. Es ist ja immer wichtig, wenn es auf der schwierigen zweiten Scheibe bereits eine erkennbare künstlerische Weiterentwicklung zu beobachten gibt – uns das ist bei „If You Asked For A Picture“ zweifelsohne der Fall.
„If You Asked For A Picture“ von Blondshell erscheint auf Partisan/Pias/Rough Trade.