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Allo Darlin‘ waren schon immer eine Band, die nie Mühe hatte, aus kleinen, auf den ersten Blick manchmal unbedeutend erscheinenden Begebenheiten große Songs zu zaubern. Mehr als ein Jahrzehnt nach ihrem letzten Album macht das anglo-australische Quartett auf seinem Comebackalbum „Bight Nights“ nun endlich wieder genau das. Mit ihrer vierten LP knüpfen Allo Darlin‘ an ihre Musik von vor rund zehn Jahren an, präsentieren sich aber dieses Mal mit einem erwachseneren Glanz, wenn sie bewährte Indiepop-Tugenden zwischen Twee und Jangle mit einem Faible für Folk-Heimeligkeit und einem sanften Country-Twang auf neues Terrain bugsieren.
15 Jahre ist es inzwischen her, dass Allo Darlin‘ ihr selbstbetiteltes Debütalbum veröffentlicht haben und damit nicht nur die Londoner Indie-Szene mit ihren ultra-eingängigen, warmtönenden Songs im Sturm eroberten. In den folgenden fünf Jahren veröffentlichten Sängerin, Gitarristin und Songwriterin Elizabeth Morris, Gitarrist Paul Rains, Bassist Bill Botting und Schlagzeuger Mike Collins drei herrliche Platten, die vollgestopft waren mit zeitlos schönen Indie-Pop-Perlen.
Das machte aus Allo Darlin‘ zwar keine Stars, aber doch eine Band, die sich schon bald auch in Deutschland auf eine eingeschworene Fangemeinde verlassen konnte. Kunststück, spürte man doch praktisch bei jedem Ton, dass es den Vieren nicht um eine große Karriere, sondern vor allem um die Liebe zur Musik geht.
Trotzdem zog die Band Ende 2016 nach einem umjubelten Abschiedskonzert in der Londoner Scala den Stecker, weil andere Dinge im Leben erst einmal wichtiger waren. Botting ging zurück nach Australien, Morris gründete in Norwegen eine Familie. Dann kam die Pandemie, und wie so viele andere hatten die Mitglieder von Allo Darlin‘ plötzlich das Bedürfnis, zumindest via Zoom die zwischenmenschlichen Kontakte zu pflegen, die anderweitig nicht möglich waren. Die Idee für eine Reunion war damit nicht mehr weit.
Bereits 2023 gab es wieder Konzerte, letztes Jahr begann die Band dann die Arbeit an ihrem nun erscheinenden vierten Album, „Bright Nights“, auf dem sich Allo Darlin‘ auch für neue Perspektiven und neue Sounds offen zeigen. Denn wenngleich es viele Anknüpfungspunkte zu den ersten drei Platten gibt, geht es Allo Darlin‘ auf dem neuen Album nicht darum, nahtlos an die Vergangenheit anzuknüpfen. Zwar gab es auch schon in der Vergangenheit Songs, die eine Liebe zu Country und Folk nicht verhehlen konnten, allerdings hat sich der Fokus auf der neuen LP ein wenig stärker in diese Richtung verschoben – und auch ganz neue Einflüsse dürfen nicht fehlen.
Textlich widmet sich Morris derweil nun viel mehr Themen, die durch ihr engstes Umfeld inspiriert wurden – nicht zuletzt durch den Tod ihrer Mutter im vergangenen Jahr. Auch wenn sie gleich im ersten Song des Albums, „Leaves In The Spring“ singt: „I’m not afraid when I’m with you / Though we’re getting older but we know it“, zeigt das, dass wir Allo Darlin‘ an einem anderen Punkt in ihrem Leben erwischen als auf ihren ersten drei Platten.
Anders gesagt: Die Sicht auf die Dinge mag sich im letzten Jahrzehnt etwas verändert haben, aber das goldene Händchen dafür, kleine Wahrheiten mit wenigen Worten auf den Punkt zu bringen, dass haben sich Morris und die Ihren bewahrt.
Wie sich das auf dem neuen Album bemerkbar macht, wie es dazu kam, dass es auf „Bright Nights“ einen Song namens „Cologne“ gibt und vieles mehr, verriet Elizabeth Morris beim Videocall mit Gaesteliste.de.
GL.de: Elizabeth, welche Rolle spielt die Musik in deinem Leben – und wie hat sich das über die Jahre verändert?
Elizabeth Morris: Oh, das ist eine schöne Frage! Die Musik umgibt mich in jedem Aspekt meines Lebens, denn beruflich arbeite ich als Musiklehrerin an der Schule. Deshalb spielt die Musik eine sehr zentrale Rolle. Die meisten der wichtigsten Beziehungen, die ich in meinem Leben zu anderen Menschen geknüpft habe, sind über die Musik zustande gekommen. So habe ich meinen Ehemann, der auch Musiker ist, getroffen, als er mit seiner Band My Little Pony Support für uns gemacht hat. Das war übrigens in Berlin, als wir im Lido aufgetreten sind. Außerdem sind die Bandmitglieder von Allo Darlin‘ meine besten Freunde. Mit Allo Darlin‘ haben wir den Großteil unserer gemeinsamen Zeit nicht nur kein Geld verdient, sondern sogar Geld verloren, aber wir haben trotzdem weitergemacht, weil die Band ein so großer Teil dessen ist, was und wer wir sind. Dabei geht es nicht nur darum, Songs zu schreiben, die meine Gefühlslage widerspiegeln, sondern auch darum, sie mit anderen zusammen zu spielen und diese Songs dann auch vor Publikum auf die Bühne zu bringen. Wenn ich in der Schule arbeite, geht es mir deshalb vor allem darum, den Kindern eine Liebe zur Musik beizubringen.
GL.de: Genau dieser Gedanke ist vermutlich einer der Gründe, warum so viele Menschen Allo Darlin‘ mögen: Die Idee, dass es nicht um Ruhm oder eine Karriere geht, sondern ausschließlich um die Musik selbst. Bevor wir zur neuen Platte kommen, ein Blick zurück. Welche Gedanken verbindest du mit den Anfangstagen der Band?
Elizabeth Morris: Das ist inzwischen so lange her, allerdings haben wir genau darüber in letzter Zeit öfter gesprochen, weil es jetzt genau 15 Jahre her ist, seit unser Debütalbum erschienen ist. Die Indiepop-Szene in London war damals am Siedepunkt. Ich habe kürzlich mal scherzhaft gesagt, dass es wie die Szene um das CBGB’s in New York in den 70ern war. Es gab unzählige Bands und wir sind jeden Abend ausgegangen, haben Bands getroffen und Freundschaften geschlossen – mit den Leuten, die in den Bands spielten, den Leuten, die ihre Platten herausbrachten, und den Leuten, die zu diesen Platten tanzten. Das Ganze war wie eine wilde Achterbahnfahrt für uns. In unseren Anfangstagen haben wir nicht einmal nach einer Auftrittsmöglichkeit fragen müssen! Das war unerhört und total verrückt! Wir hatten unglaublich viel Glück, aber das zeigt auch, wie lebendig die Szene zu der Zeit war. Ständig passierte etwas, und man lud uns einfach ein, Teil des Ganzen zu sein. Wir mussten auch nie um einen Plattenvertrag betteln. Die Leute sind zu uns gekommen und wollten unsere Platten veröffentlichen.
GL.de: Auch wenn wir deine Bescheidenheit schätzen – trotzdem gibt es ja Tausende Bands, die all das nie erreicht haben. Was ist euer Erfolgsgeheimnis?
Elizabeth: Also, Glück gehörte auf jeden Fall dazu, weil wir einfach immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Das gilt nicht nur in Bezug auf das Plattenveröffentlichen, sondern auch hinsichtlich der Tatsache, dass wir vier in der Band uns gefunden haben. Auch das war Glück, dass wir die genau richtige Kombination von Menschen für die Band gefunden haben, denn die Chemie untereinander ist ja etwas, das du nicht vorhersagen oder berechnen kannst. Ich denke, dass wir echte Freunde waren (und sind) und eine ähnliche Sicht der Dinge hatten, hat sicherlich geholfen. Allerdings waren wir noch keine Freunde, als wir mit Allo Darlin‘ angefangen haben. Bill kannte ich aus Australien und dann sind wir in London Freunde geworden, und Mike und Paul lernte ich durch andere Kanäle kennen. Ich war dann diejenige, die alle zusammenbrachte, aber auch das war pures Glück. Unsere Charaktere und unsere Fähigkeiten ergänzen sich einfach perfekt. Mike ist ein unglaublicher Tontechniker und bringt sein immenses Wissen auf dem Feld ein, Bill ist einfach ein wunderbarer Mensch, der allen um ihn herum ein gutes Gefühl gibt, und Paul ist eine Wucht an der Gitarre. Ich denke, dass es tatsächlich in erster Linie Glück war, dass wir zusammengefunden haben.
GL.de: Trotzdem seid ihr vor zehn Jahren erst einmal getrennte Wege gegangen. Was hat euch damals zu diesem Schritt bewogen?
Elizabeth Morris: Ich denke, der Grund für unsere Trennung war, dass bei mir ein wenig die Luft raus war. Außerdem war ich an einem Punkt angekommen, an dem ich eine Familie gründen und Kinder haben wollte. Meine Tochter Astrid kam elf Monate nach unserem letzten Konzert in der Scala in London auf die Welt. Plötzlich ging also alles ganz schnell. Wir haben nie Streitereien gehabt oder so, aber dann ist Bill zurück nach Australien gegangen, und das machte es komplizierter, uns zu treffen. Ich lebte damals schon in Norwegen. Dann allerdings kam die Pandemie, alle waren zu Hause und kontaktierten ihre Bekannten via Zoom, weil wir alle auf der Suche nach menschlicher Verbindung waren. Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, dass wir uns gegenseitig vermissen.
GL.de: Also habt ihr Pläne geschmiedet, wieder gemeinsame Sache zu machen. Angesichts der Tatsache, dass ihr zu Beginn eurer Karriere stets sehr schnell gearbeitet habt: Fühlt sich diese neue Platte an wie ein Debütalbum, weil ihr euch alle Zeit der Welt lassen konntet?
Elizabeth Morris: Ja, in dieser Hinsicht fühlt es sich wirklich ein wenig wie ein erneutes Debütalbum an, denn die Songs sind mit einigem Abstand entstanden. Auf unserer ersten Platte habe ich den Jungs Lieder wie „My Heart Is A Drummer“ oder „Silver Dollars“ am Tag der Aufnahmen zum ersten Mal vorgespielt. Dieses Mal habe ich den anderen Demos geschickt, die allerdings sehr spartanisch und oft nicht mehr als „voice notes“ waren. Ausstaffiert haben wir die Songs dann anschließend gemeinsam. Da wir in drei verschiedenen Ländern leben und unsere Zeit zusammen deshalb stets knapp ist, gab es aber auch Gemeinsamkeiten mit der Entstehung des ersten Albums. Die Songs auf unseren anderen Alben, „Europe“ und „We Come From The Same Place“, sind dann in einem klarer abgesteckten Zeitraum entstanden und unter dem Druck, eine neue Platte machen zu müssen. Das war dieses Mal anders.
GL.de: Die Einflüsse aus Folk und Country, die sich auf der neuen Platte breit machen, bedeuten zwar kein Neuland für euch, nehmen aber jetzt mehr Raum ein. Ist das schlichtweg auf veränderte Hörgewohnheiten zurückzuführen?
Elizabeth Morris: Ja, bis zu einem gewissen Punkt ist ein veränderter Musikgeschmack ausschlaggebend. Ich mag Big Thief oder Waxahatchee und ich höre auch gerne Iris DeMent. Das Schöne an Country und Folk ist, dass diese Musik zeitlos ist. Deshalb ergibt es eine Menge Sinn für Menschen über 40, sich diesem Sound zu widmen. Wenn ich als 42-jährige Frau jetzt nur Indie-Disco-Banger machen würde – das würde sich für mich einfach nicht sonderlich natürlich anfühlen. Ich lebe nun mal nicht mehr in London und gehe jeden Abend aus. Ich lebe in einer norwegischen Kleinstadt mit meinem Ehemann, zwei Kindern und einem Hund. Das ist einfach eine andere Phase in meinem Leben. Ein weiterer wichtiger Einfluss war Ry Cooder. Sein Album „Prodigal Son“ habe ich wieder und wieder gehört. Als ich Paul zum ersten Mal den Song „Northern Waters“ vorgespielt habe, sagte er zu mir: „Das Lied klingt für mich nach Marokko!“ Eine Vision, die wir für das Album hatten, war, dass es ein bisschen wüstenmäßig sein sollte. Deshalb gibt es auf dem Album neben den Songs mit Country- und Folk-Einschlag auch einige, die die Stimmung einer afrikanischen Wüste haben. Beim Tracklisting haben wir dann darauf geachtet, dass sich die Songs mit der countryesken Stimmung und die mit dem afrikanischen Wüsten-Vibe abwechseln. Eine meiner absoluten Lieblingsplatten ist „Graceland“ von Paul Simon, die hat eine ähnliche Stimmung. Man kann sagen, dass es eine afrikanisch beeinflusste Platte ist, aber gleichzeitig hat sie auch den amerikanischen Country-Vibe. Genau das hatten wir bei diesem Album im Sinn, denn es ging um weit offene Landschaften. Gleichzeitig gibt es aber auch europäisch geprägte Songs. Ich habe drei Jahre lang in Italien gelebt, und einige der Songs werfen einen Blick zurück auf diese Zeit.
GL.de: In der Tat ist auch die textliche Neuausrichtung unüberhörbar. Dieses Mal scheinen deine Familie und dein engstes Umfeld viel mehr im Fokus zu stehen?
Elizabeth Morris: Ja, auf jeden Fall! Bei meiner Mutter wurde kurz vor dem Beginn der Pandemie Demenz diagnostiziert, und danach konnte ich sie aufgrund der Beschränkungen zwei Jahre nicht sehen. Die letzten drei Jahre ihres Lebens habe ich dann viel Zeit bei ihr in Australien verbracht. Als wir dann im vergangenen Juli begonnen haben, die neue Platte aufzunehmen, rief mein Vater an und sagte: Du solltest wirklich besser kommen. Also bin ich zurück nach Australien, und sechs Wochen später ist meine Mutter dann verstorben. Das hat auf jeden Fall Spuren auf dem Album hinterlassen, allerdings nicht unbedingt, weil ich traurig war. Meine Mutter war ein großer Fan der Band und komplett von Liebe erfüllt. Ich habe versucht, sie in den Songs widerzuspiegeln, denn natürlich dachte ich beim Schreiben ständig an sie. Ich kann ihre Präsenz auf dem Album spüren. Für die Aufnahmen bedeutete das, dass wir eine Auszeit von sechs Monaten hatten und uns dann wieder an die Arbeit gemacht haben. Das war ein ähnlicher Prozess wie bei „Europe“. Da hatten wir auch einen Haufen Aufnahmen gemacht und dann eine Pause eingelegt, in dem Wissen, dass die Platte gut ist, aber noch nicht ganz rund. Das war dieses Mal ähnlich. Wir haben uns im Januar dieses Jahres erneut getroffen und dann weitere Songs aufgenommen, die ich in der Zwischenzeit geschrieben hatte. Eine Platte in zwei Abschnitten aufzunehmen, ist eine wirklich gute Herangehensweise für uns, weil dir die Pause Zeit gibt, deine bisherige Arbeit besser einzuschätzen. Ich bin sehr froh, dass wir das gemacht haben, denn die Platte würde völlig anders klingen, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Abgesehen davon habe ich seit den Aufnahmen von „We Come From The Same Place“ auch zwei Kinder bekommen, und Kinder stellen dein Leben vollkommen auf den Kopf. Viele der Lieder auf dem neuen Album habe ich deshalb für meine Kinder geschrieben.
GL.de: Ein Song, der aus deutscher Sicht natürlich heraussticht, ist „Cologne“, den ihr bei eurem Auftritt im Rahmen des feinen Cologne Pop Fests im April erstmals live gespielt habt. Wie kam es dazu?
Elizabeth Morris: Das ist eine lustige Geschichte. Wir wussten, dass wir beim Cologne Pop Fest spielen würden. Das kam nicht zuletzt deshalb zustande, weil [die Veranstalter] Christoph und Susanne so hartnäckig waren und immer wieder bei uns angefragt haben. Wie schon gesagt: Wir leben in drei verschiedenen Ländern in zwei verschiedenen Hemisphären, was bedeutet, dass es ziemlich kostspielig und logistisch aufwändig ist, uns für ein Konzert zusammenzubringen. Ob ihrer Hartnäckigkeit haben wir dann aber zugestimmt. Ich habe mich sehr auf das Konzert und die gemeinsame Zeit mit der Band gefreut, weil ich wusste, dass es etwas Besonderes werden würde. Das hatte ich beim Songschreiben im Hinterkopf als ich neue Songs schrieb. „Cologne“ habe ich natürlich vor dem Pop Fest geschrieben. Ich dachte mir einfach, es wäre lustig, das Lied beim Pop Fest für sie zu spielen, um ihnen für all das zu danken, was sie für uns getan haben.
GL.de: Bleibt zum Schluss die Frage: Welche Träume und Wünsche verbindest du mit dem neuen Album?
Elizabeth Morris: Wenn ich ehrlich bin, wäre es schön, wenn wir ein bisschen mehr Anerkennung in Australien erhalten würden, dem Land, aus dem ich stamme und in dem Bill nun lebt. Wir haben 2012 eine ganz kleine Australien-Tournee gespielt, weil meine Schwester wollte, dass wir auf ihrer Hochzeit spielen, und sie uns die Anreise bezahlt hat! Danach sind wir dann noch in Brisbane, Melbourne, Sydney und Armadale aufgetreten. In deiner Heimat wahrgenommen zu werden, ist einfach etwas Besonderes, und ich hoffe, dass uns das mit diesem Album ein bisschen besser gelingt. Wir freuen uns natürlich auch auf die anderen Konzerte, denn dass wir inzwischen an dem Punkt sind, in London Konzerthallen mit einer Kapazität von 1000 Menschen füllen zu können – das finde ich einfach unglaublich!
„Bright Nights“ von Allo Darlin‘ erscheint auf Fika Recordings/Cargo.