Platte der Woche KW 33/2025
Schon zu Beginn seiner Karriere als Solo-Songwriter machte Cass McCombs deutlich, dass er eigentlich keine musikalischen Wurzeln habe (obwohl der Titeltrack seines neuen Albums anderes vermuten lassen könnte) und dass er nichts von Geradlinigkeit und einfachen Wegen hält. Zusammen mit seinen Mitstreitern Jason Quever (Papercuts) und Chris Cohen kehrt McCombs mit seinem neuen Album somit lediglich zu seinem alten Label Domino-Records zurück – nicht aber etwa musikalisch zu den Anfängen seiner Songwriter-Tage.
Warum sollte er das auch tun? Schließlich hat McCombs den größten Teil seiner Karriere damit verbracht – durchaus in Zusammenarbeit ganzer Legionen gleichgesinnter KollegInnen, von denen er sich das Eine oder Andere abgeschaut hat – einen eigenen Stil links der Mitte im Songwriter-Dschungel zu kreieren. Heutzutage jongliert McCombs mit Stilen, Stimmungen, Strukturen und Arrangements, als ginge es darum, sich mit jedem Projekt neu zu erfinden.
Und dabei bleibt er sich doch eigentlich nur treu. So übernimmt er z.B. von seinem 2022er Album „Heartmind“ die Tradition, sich musikalisch von zwischenzeitlich verstorbenen Kollegen und Freunden zu verabschieden. Damals war das Neal Casal, dieses Mal ist es John Prine, dem er in dem stilistisch überraschend souligen Opener „Priestess“ ein virtuelles musikalisches Denkmal setzt. Und da er das neue Werk als Doppelalbum ausgelegt hat, gibt es auch mehrfach die Gelegenheit, seine Vorliebe für episch ausgereizte Monumental-Songs auszuleben. In Tracks wie „I Never Dream About Trains“ oder „Lola Montez Danced The Spider Dance“ arbeitet er dabei mit mantraartigen Wiederholungen, die einen geradezu hypnotischen Sog erzeugen und dank seiner Fähigkeit, dieses mit melodiösen Aspekten zu unterlegen, auch geradezu Ohrwurm-Charakter entwickeln. Der sechsminütige Titeltrack am Ende der Scheibe ist hingegen eine wüste Kaputnik-Rock-Eskapade, die Jon Spencer auch nicht wesentlich abrasiver hinbekommen hätte.
Was darüber hinaus keinesfalls unterschätzt werden darf, ist der Umstand, dass McCombs im Laufe der langen Jahre, in denen er seine Kunst verfeinerte (ohne sie übrigens je perfektionieren zu wollen), allmählich zu einem gewieften Storyteller geworden ist und heutzutage in Songs wie „A Girl Named Dogie“, „Strawberry Moon“ oder „Miss Mabee“ anrührende Geschichten erzählt – mal von Charakteren, die er beobachtet, oder in Tracks wie „Home At Last“, „Van Wyck Expressway“ oder „I’m Not Ashamed“ mit autobiographischem Bezug.
Songwriterisch und kompositorisch liefert McCombs hier einige seiner feinsten Arbeiten – und zeigt mit augenzwinkernden Referenzen an Vorbilder wie Elliott Smith („Van Wyck Expressway“) oder Giant Sand („Who Removed The Cellar Door“), dass eine Kunst keineswegs im luftleeren Raum entsteht und er sich eben nicht nur als Content-Creator, sondern vor allen Dingen auch als Musikfan sieht. Dass er bei all dem nie zu einem großartigen Sänger heranreifte, spielt in diesem Zusammenhang keine große Rolle, denn die Musik von Cass McCombs hängt nicht von einzelnen Features ab, sondern vom schlüssigen Gesamtbild, das er mit diesem Album eindrucksvoll und auf unterhaltsame Weise abrundete.
„Interior Live Oak“ von Cass McCombs erscheint auf Domino/Rough Trade.