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Die Spitze des Eisbergs
Auf dem bunt verzierten Banner, das The Beths an diesem Abend als Backdrop dient, verschwindet der Bandname im Bühnenboden. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die neuseeländischen Indie-Pop-Heroen kleinen Clubs wie der Kantine vor den Toren Kölns eigentlich längst entwachsen sind. Warum das so ist, demonstrieren Elizabeth Stokes, Jonathan Pearce, Benjamin Sinclair und Tristan Deck an diesem Abend 95 Minuten lang eindrucksvoll – und das auf geliehenem Equipment, da ihnen wenige Tage zuvor in Frankreich die komplette Ausrüstung gestohlen worden war.
Eröffnet wird der Abend von den ebenfalls aus Neuseeland stammenden Dateline, bei denen Mastermind Katie Everingham – wohl nicht ganz zufällig einst selbst kurze Zeit Schlagzeugerin bei The Beths – klanglich eine Brücke von klassischem Dunedin-Indie-Pop der 80er zu grungigen Krachern mit 90s-Flair schlägt und zwischen den Songs nicht nur charmant ihr Deutsch am Kölner Publikum ausprobiert, sondern mit einem breiten Dauerlächeln im Gesicht nicht verhehlen kann oder will, wie viel Spaß sie auf ihrer allerersten Europa-Tournee hat.
Die Intensität des Sets steigert sich kontinuierlich und als die vier unter großem Jubel nach etwas mehr als 35 Minuten die Bühne verlassen, glauben einige Uneingeweihte im Saal doch tatsächlich, dass „It’s All Downhill From Here“ nicht nur der Titel des Debütalbums von Dateline ist, sondern auch das Motto für diesen Abend in Köln.
Doch obwohl die Messlatte mit diesem mitreißenden Support-Set bereits erfreulich hochgelegt ist, haben The Beths – natürlich, möchte man fast sagen! – keine Probleme, noch einen draufzusetzen. Wo andere Bands mit schnöden Showelementen ihren Mangel an Ideen zu kaschieren versuchen, ist bei dem Quartett aus Auckland das Gegenteil der Fall. The Beths, das beweisen nicht nur die oft fast geradezu niedlichen Ansagen und der liebevolle Austausch der vier auf der Bühne, sind so bodenständig und normal, dass man bisweilen fast vergisst, dass emotionale Tiefe und beeindruckende Komplexität zwei herausragende Markenzeichen ihrer Musik sind.
Dass trotz bisweilen düster gefärbter Songtexte ist es immer wieder auch die geradezu kindliche Freude am eigenen Tun, mit der die vier begeistern können, etwa, wenn Stokes bei „Best Laid Plans“ eine Triangel zückt, Pearce und Sinclair sich gleich zu Beginn beim Titeltrack des aktuellen Albums „Straight Line Was A Lie“ an den Blockflöten duellieren oder Deck vorrechnet, auf wieviel Rückerstattung vom Eintrittspreis die Anwesenden ob des eingangs erwähnten Faux-Pas bei der Aufhängung des Backdrops hätten.
Mit „Mars, The God Of War„ wird sogar noch ein à la Bruce Springsteen auf einem unübersehbaren Plakat kundgetaner Publikumswunsch spontan ins Programm gehievt, denn wie Pearce erklärt: „Wünsche in schriftlicher Form sind nur sehr schwer abzulehnen!“ Trotzdem gibt es erst einmal Diskussionsbedarf. Zuerst muss Stokes in sich gehen, damit sie sich an den Text erinnert, dann stellt Pearce lachend die Frage in den Raum, ob die anderen überhaupt mitspielen müssten, schließlich heiße es auf dem Plakat „JON, kannst du bitte ‚Mars, The God Of War‘ spielen?“ Am Ende dürften dann aber alle mitmachen.
Auch sonst offenbaren die Songs der Beths nach inzwischen vier ausnahmslos tollen Platten einen beachtlichen Facettenreichtum. In Köln reicht die Bandbreite von rasanten frühen Pop-Punk-Krachern wie „Uptown Girl“ über das dem Titel zum Trotz musikalisch ausgelassene „No Joy“ bis zu Stokes‘ leiser Gänsehaut-Solonummer „Mother, Pray For Me“, und trotzdem hat man das Gefühl, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist, wenn es darum geht, wozu diese fabelhafte Band in Zukunft noch fähig sein wird.





























