Platte der Woche KW 46/2025
Es gibt zurzeit wohl niemand anderen, der so virtuos, einfalls- und abwechslungsreich und so konsequent auf der Klaviatur des Retro-E-Pop spielt, wie die kanadische Songwriterin Katie Stelmanis mit ihrem Projekt Austra. Dabei hat das vierte Austra-Album „Chin Up Buttercup“ eine eher unschöne Entstehungsgeschichte. Als die damals in London lebende Musikerin 2020 – mitten in der ausbrechenden Pandemie – mit dem nun zum LP-Titel gewordenen Spruch „Chin Up Buttercup“ von ihrer damaligen Partnerin verlassen wurde und dann auch noch in ihre kanadische Heimat zurück musste, bevor die Grenzen geschlossen wurden, stand sie von jetzt auf gleich im Nichts und musste erst mal die auf sie hereinbrechenden Gefühle verarbeiten – von den praktischen Folgen der Pandemie-Einschränkungen mal ganz abgesehen.
In der klassischen Manier gewiefter Songwriter machte Stelmanis diese Erfahrungen dann zur Basis jener Songs, die nun das Album zieren – und rechnet dabei dann auch gründlich mit der besagten Ex ab. Vielleicht ist das Album dann auch deswegen musikalisch so facettenreich geworden, wie es sich nun gebärdet. Die Frage, wie es musikalisch weitergehen könnte, drängte sich aber für Katie auch deswegen auf, weil sie sich ein eng gestecktes musikalisches Setting ausgesucht hat, denn das Sounddesign auch des neuen Albums beschränkt sich grundlegend auf den Sound früher E-Pop-Pioniere, die in den 80ern dieses Genre aus der Taufe hoben, als es möglich wurde, neben Zwitschern und Tüten auch Bass-Sounds und Drum-Computer auf elektronischer Basis einsetzen zu können.
Anstatt also zu versuchen, durch Hinzunahme moderner Computertechnik und Sound-Gimmicks den Anschluss an die Jetztzeit zu suchen, blieb Katie bei ihrem Metier und konzentrierte sich auf das Songwriting, in gewisser Weise auch das Storytelling und den Gesang – suchte dafür aber für jeden Song attraktive stilistische Akzente aus.
Der Opener „Amnesia“ etwa wildert mit seinem Piano-Intro und der komplexen Melodiefolge beim klassischen Kook-Pop. Der als Singe ausgekoppelte Track „Math Equation“ erinnert an Kylie Minogue-Style Disco-Elemente. „Siren Song“ ist purer Artpop, der Titeltrack kommt als verstiegene Psychedelia daher. Es folgen dann noch Techno, New Wave, Dreampop und Ambient-Einlagen. All das steht aber keineswegs im luftleeren Raum, sondern wird geprägt von ausgefeilten Melodien, Harmoniefolgen und Refrains. In besonderer Weise überrascht jedoch Katies Fähigkeit, den kunstvoll aufgetürmten, choralen Gesangsharmonien eine geradezu feierlich/liturgische Note angedeihen zu lassen, die besonders bei A-Cappella-Passagen oder hymnischen Refrains zum Tragen kommt.
Kurzum: Trotz der eher abtörnenden Umstände, unter denen das neue Material entstanden ist, ist „Chin Up Buttercup“ – nicht zuletzt wegen der kämpferischen Note, mit der Katie das Thema anging und der daraus resultierenden Resilienz – Austras bislang stärkstes Album geworden; und in gewisser Weise dann auch ein persönliches Empowerment-Statement.
„Chin Up Buttercup“ von Austra erscheint auf Domino.




