Das Ehepaar Susan Tedeschi und Derek Trucks ist ein fleißiges Musiker-Duo mit dem Motto „Nicht kleckern, sondern klotzen“. So veröffentlichten sie vor drei Jahren gleich vier Alben ihrer „I Am The Moon“-Saga. Ihre Band umfasst ein Dutzend Mitstreiter, die geradezu prädestiniert sind, den Wahnsinn von Joe Cockers „Mad Dogs & Englishmen“-Tour aus dem Jahre 1970 nachzustellen. Cocker war im Vorjahr durch seinen Woodstock-Auftritt berühmt geworden. „With A Little Help From My Friends“ war ein Initiationsschrei. Der Mann musste vermarktet werden. Mit der kleinen Hilfe eines 50-köpfigen Trosses hetzte man ihn von Gig zu Gig bis in den Nervenzusammenbruch. Cocker tingelte mit Schlafsack durch Großbritannien, ließ sich ab und an von lokalen Bands begleiten. Es sollte dann doch noch die große Karriere werden mit mehr als 13 Millionen verkaufter Tonträger, die Hälfte davon in Deutschland. Kurz vor Heiligabend 2014 verstarb Cocker. Anlass für Tedeschi und Trucks, vor nun zehn Jahren beim damaligen Bandleader Leon Russell nachzufragen und mit dem Keyboarder und Langzeitbegleiter Cockers, Chris Stainton, sowie den Sängerinnen Rita Coolidge und Claudia Linnear Mitglieder der Band einzuladen, die bereits 1970 auf der Bühne standen. Russell starb ein Jahr nach seinem Auftritt mit der Tedeschi Trucks Band. Erst jetzt, zum zehnjährigen Jubiläum, wird das Konzert veröffentlicht.
Ebenfalls zu hören sind der ehemalige Traffic-Gitarrist Dave Mason, Gitarrist Doyle Bramhall II sowie Black Crowes-Frontmann Chris Robinson. Das Revival klingt sehr naturbelassen, dem Original die Ehre erweisend. Wenn die Orgel anschwillt, erwartet der Hörer – der Pawlowsche Reflex lässt grüßen – die herrlich-kaputte Stimme Cockers. Deshalb wurden die Gesangsparts klugerweise aufgeteilt: Susan Tedeschis kernige Soul- und Blues-Vocals puschen „The Letter“, wuchtige Bläsersätze, vielstimmiger Backgroundchor, ein hübsches Gitarrensolo von Derek Trucks, A-Cappella-Gesang zu Schlagzeug- und Percussion-Feuer, und im Auge des Organs sitzt stoisch Leon Russell mit langem weißen Rauschebart, stilvollem weißen Cowboyhut, am weißen Flügel. Sicher nicht mehr als Musical Director, aber als Grandseigneur.
Chris Robinson singt „With A Little Help“ mit Susan Tedeschi, Warren Haynes „She Came In Through The Bathroom Window“, einen weiteren Beatles-Song. Tedeschi drückt Russell auf dem Weg zum Mikro noch einen Kuss auf die Wange, Robinson phrasiert, wie man es von den Black Crowes schätzt. Neun Minuten Ekstase. Dave Mason singt „Feelin‘ Alright“, das er einst für Traffic schrieb. Stainton haut in die Tasten, Trucks spielt ein bluesrockiges Solo, Anders Osborne Rhythmusgitarre, man hört davon nicht viel.
„Ich hatte keine Ahnung, wie viele von uns jeweils auf der Bühne standen und mit dem Tamburin rasselten“, gab Cocker einmal zu. Auch bei der Neuauflage kann man leicht den Überblick verlieren. 27 Musiker*innen schauen auf dem Bandfoto in die Kamera. Cocker wollte nur eine vier- bis fünfköpfige Band, Russell drängte ihn zu zehn Instrumentalisten und zehn Chorsänger*innen. Leonard Cohens „Bird On The Wire“, von Rita Coolidge intoniert, bietet einen Ruhepol in dem sonst Phil-Spector-artigen Wall of Sound. Damals wie beim Revival. Insgesamt 14 Songs wählten Tedeschi und Trucks aus, Dylans „Girl From The North Country“ hätte es nicht sein müssen, geht doch erneut die lässig-nonchalante Interpretation des Dylan/Cash-Originals gänzlich verloren. Dafür wünschte man sich „Cry Me A River“, das in der sonst gelungenen Auswahl fehlt.
Mit „Layla Revisited At The Lockn‘“ gab es 2021 ein ähnliches Projekt zu Eric Claptons Derek & The Dominos-Perle „Layla And Other Assorted Love Songs“. Auch dies war ein willkommenes Wiederhören mit eigener Note und jeweils die Frage aufwerfend: Braucht man das? Die eingeladenen Gäste und deren Spielfreude sowie einige eigenständige Arrangement-Verschiebungen rechtfertigten das Unterfangen allemal. Und im Vergleich dann mal wieder die ursprünglichen Versionen zu hören, ist durchaus spannend.
„Tedeschi Trucks Band And Leon Russell Present: Mad Dogs & Englishmen – Revisited Live At Lockn’“ von der Tedeschi Trucks Band & Leon Russell erscheint auf Concord/Universal.



