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„A Different Life“ heißt der dritte Longplayer der Songwriterin, Multiinstrumentalistin und Produzentin CATT – und obwohl dieser Titel sicherlich auch seine metaphorische Bedeutung hat, ist doch anzumerken, dass dieses Album (wie auch seine Vorgänger „Why, Why“, „Change“ und auch die Debüt-EP „Moon“) musikalisch wieder ein anderes, musikalisches Eigenleben entwickelt. Suchte CATT auf „Moon“ und „Why, Why“ noch nach einer eigenen musikalischen Sprache, die sie überwiegend alleine entwickelte, so erweiterte sie ihr Klangbild mit dem überraschend poppigen Zweitling „Change“ in kollaborativer Hinsicht und konzentrierte sich nun darauf, mit dem Album #3 ihre gewonnenen Erkenntnisse in ihrem ganz eigenen harmonischen und melodischen Musik-Kosmos songwriterisch zu konsolidieren.
Die Idee für das neue Album kam CATT bei einer Reise durch Nord-Kalifornien, die sie auch an die spirituellen Orte der Musikgeschichte führte. Vor allem aber ließ sich CATT dabei von der beeindruckenden Natur und dem spirituellen Geist vor Ort inspirieren.
„Ja genau“, bestätigt CATT, „ich war in Nord-Kalifornien in den Bergen bei den Mammut-Bäumen unterwegs und auch in der Gegend um San Francisco herum. Ich hatte da das Gefühl, dass ich auf den Spuren von ganz, ganz viel Musik unterwegs war, die schon im letzten Jahrhundert entstanden ist. Das habe ich richtig gefühlt.“
Inwieweit hat sich das musikalisch ausgewirkt? Es scheinen zum Beispiel unterschwellige Westcoast-Vibes in den neuen Songs mitzuschwingen.
„Ich hatte nur eine begrenzte Zeit und bin in der Nähe von L.A. in den Canyons gewesen und bin dann auch in den Norden gefahren – vermutlich werde ich also wieder dorthin reisen, sofern die politische Situation das zulässt“, berichtet Catt, „es kann aber mit Sicherheit sein, dass sich das auch musikalisch ausgewirkt hat – bestimmt sogar. Ich habe das Gefühl und die menschliche Wärme und die Kreativität dort aufgesogen, so dass ich mir gut vorstellen kann, dass da auch viel in die Musik eingeflossen ist.“
Das zeigt doch, dass die Musik zuweilen vorgibt, wo es langgehen soll, oder?
„Genau das war ja auch das, was ich mir gewünscht habe – dass die Songs mich und meine Musiker*innen einfach an die Hand nehmen und wir dann folgen. Wir mussten dann einfach nur noch entscheiden, ob sich das dann gut anfühlte. Die Songs sollten schon eine klare Meinung von dem haben, was sie brauchen. Wir haben unser Ego beiseite gelegt und sind ganz klar der Freude gefolgt. Weil die Songs uns über die – wie mein Schlagzeuger Michèl Martens Almeida immer sagt – ‚diebische Freude‘ verraten, wo es langgeht. Das kann etwas Verschmitztes sein oder man kann lachen vor Freude, weil es so schön ist. Selbst bei langsamen Liedern. Das ist dann immer ein Zeichen dafür, dass da etwas eingeloggt ist.“
Gibt es da in Bezug auf diese Art von Inspirationen vielleicht auch eine spirituelle Note?
„Ich muss gerade darüber nachdenken, dass ‚inspiriert‘ und ‚Spiritualität‘ ja den gleichen Wortstamm haben“, meint CATT, „das bedeutet ja, begeistert oder beseelt zu sein. Das fließt in alles von mir. Meine Spiritualität fließt auf jeden Fall ganz klar in meine ganze Lebensweise hinein – und dann auch in die Art und Weise, wie ich Musik mache. Ich bin einfach seit Jahren auf meinem Weg, das ‚Was‘ und das ‚Wie‘ und die Welt zu ergründen. Ich frage immer weiter und spüre mich hinein in die Weite des Lebens und die Frage, wie wir leben wollen. Das letzte Album trug den Titel ‚Change‘ und das hat ja viele Fragen und diese Deklaration für Veränderung aufgerufen: ‚Hey, wir wollen etwas anderes – aber was wollen wir denn eigentlich?‘ Jetzt bei ‚Different Life‘ habe ich das Gefühl, dass das Perspektiven aufzeigt, wie wir unsere Menschlichkeit – und was wir halt sind als Menschen – und auch die Herausforderungen, die wir haben – definieren können. Es geht auch um die Fragen, die wir uns stellen – in einer Zeit, in der viel Verzweiflung, Verwirrung und auch Schmerz auf der Welt herrschen. Mal ganz einfach ausgedrückt: Wenn wir uns mit unserem Herzen verbinden, gibt es Dinge in unserem individuellen, aber auch kollektiven Wirkungskreis, die wir tatsächlich auch verändern können; vor allem, indem wir authentisch zu uns selber finden und schauen, was unsere Stimme in der ganzen Sache ist.“
Ist die Veränderung eigentlich auch das Thema des Songs „If It’s A Blues That’s Okay“ – den CATT übrigens auch musikalisch als Blues ausgeführt hat, was ja relativ unüblich für sie ist und eben auch eine Veränderung darstellt.
„Der Song kam auch wirklich aus der Freude am Erzählen“, berichtet CATT, „dann hat sich die Freude am Erzählen auch im Studio fortgesetzt. Ich war mit Birk, meinem Gitarristen, und Michèl, meinem Schlagzeuger, zusammen und meinte dann: ‚Können wir uns alle mal an unsere Instrumente setzen, denn ich weiß noch nicht genau, wohin mit dem Song‘. Ich saß dann am Klavier und sagte, dass wir so tun sollten, als wären wir in New York. ‚Wir sitzen in einer abgehangenen Bar an unseren Instrumenten und spielen das jetzt einfach mal irgendwie‘. Dann haben wir uns da richtig rein gelehnt in dieses imperfekte, aber auch freudige ‚Machen‘. Blues ist ja ein historischer Begriff – aber beim gegenwärtigen Spielen geht es darum, sich in den Moment hineinzuversetzen. Und das haben wir dann eingefangen und damit diese Geschichte umspielt, die ja auch ein bisschen augenzwinkernd ist.“
Die besagte Geschichte handelt dann von einem Pärchen, das im Allgemeinen gut miteinander auskommt, der mögliche Blues aber Teil der Rechnung ist. Wie alles, was CATT in ihren Songs anspricht, ist das dann auch sehr persönlich ausgerichtet. Ist das auch der Grund, warum CATT direkte politische Aspekte – wie etwa in Protestsongs – ausklammert?
„Wenn man sich die Songs, die über die letzten Jahrzehnte zu Protestsongs geworden sind, anschaut, dann sind das oftmals Lieder, die Umstände nicht direkt besingen, sondern etwas ansprechen, was in den Menschen etwas auslöst – wodurch dann eine Energie gespiegelt wird. Ich glaube, dass die größte Kraft der Musik darin liegt, den Menschen anzustiften, selbständig eine Power zu entwickeln. Ich bin persönlich sowieso kein Freund davon, Dinge auszubuchstabieren, weil das eben dann über die Verstandesebene und damit auch über eine Spaltungs- und polare Ebene geht. Die intrinsische Kraft, die über die musikalische Ebene zum Ausdruck gebracht wird, ist am Ende stärker als Argumente, die direkt angesprochen werden.“
In dem Zusammenhang: Gibt es vielleicht auch ein Element von Eskapismus und/oder Utopie in der Musik von Catt?
„Ich würde es eher als ‚Visionen‘ bezeichnen und als Erinnerung an unseren authentischen Kern“, überlegt CATT, „Eskapismus ist auf jeden Fall nicht mehr dabei. Ich denke, dass ich in den Songs zum Ausdruck bringe, dass wir mit den Füßen auf der Erde stehen und die Verantwortung für unser Tun tragen. Aber wir nutzen alle kosmischen Seiten und Potentiale, die wir zur Verfügung haben – und wecken uns so auf. Wir gehen über unsere mentalen Grenzen hinaus – und über das, vom dem wir dachten, dass es uns einschränkt und wo wir nicht weiter können. Das muss gesprengt werden – aber mit beiden Füßen auf dem Boden, in Zusammenarbeit und miteinander und mit der Erde. Deswegen geht das über Eskapismus hinaus – aber vielleicht gibt es eine Vision und auch eine Art von Utopie. Man muss natürlich auch daran glauben, dass eine Veränderung möglich ist. Das kann man natürlich als Utopie bezeichnen – aber ich würde es halt eher als Vision bezeichnen.“
Gehört dazu auch die Utopie oder die Visionen eines anderen Lebens – wie der Titel des Albums vermuten ließe? Sollen wir denn alle ein anderes Leben im Sinne einer Vision anstreben?
„Das ist eben die Frage!“, meint CATT, „ich habe das Gefühl, dass wir kollektiv alle gerade in einem Konsens sind, dass eigentlich alle woanders hin möchten. Und ich suche nach meinem persönlichen Beitrag dafür, wie so etwas aussehen kann – aber in Form von Musik. Das ist dann meine Perspektive darauf, wie sich so etwas anfühlen kann.“
Und damit wären wir dann ja auch bei dem anderen Thema des Albums, das CATT ja schon auf dem letzten Album diskutierte: der Veränderung.
“Ja, genau – das einzig Beständige ist dann die Veränderung. Wir können entweder mit ihr gehen, oder wir können eine Resistenz zur Veränderung anstreben. Der mutigere Weg wäre dann aber der, die Veränderung einfach zu gestalten, anstatt sich ihr zu widersetzen.
Zu dieser Art von Veränderung gehört für CATT als Musikerin auch die Tatsache, dass sie sich heute nicht mehr alleine als Solo-Künstlerin begreift, sondern als Bandleaderin, die dann die Musik auch selber co-produziert (in dem Fall mit Gitarrist Birk Buttchereyt). Ihre Rolle als Multi-Instrumentalistin hat sie dabei aber noch lange nicht aufgegeben.
„Ja, ich habe mehr Gitarre auf dem neuen Album gespielt – in Kollaboration mit Birk – und die Blasinstrumente selber gemacht“, erzählt CATT, „ich habe auch die Keyboards und Percussion gespielt und natürlich gesungen. Die Streicher kommen von meinem Bassisten Paul – die habe ich arrangiert. Ich habe sogar mein erstes E-Gitarrensolo für den Song ‚You Came Through A Star‘ gespielt. Birk hatte das Solo eingespielt – aber das war es dann irgendwie nicht. Wir brauchten für den Song eigentlich jemanden, der das gar nicht kann – und das war dann ich.“
Langweilig wird es CATT also so schnell nicht werden. Auf der gerade laufenden Headliner-Tour wird sich zeigen, wohin die Musik CATT und ihre Musiker*innen dann auch auf der Bühne führen wird.
„A Different Life“ von CATT erscheint auf Wild Heart/Broken Silence.