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Mit dem Timing hat es Maria Berger nicht so. Bereits auf dem letztjährigen Reeperbahn Festival präsentierte die österreichische Songwriterin OSKA (wie sie sich als Künstlerin nennt) erste Songs aus ihrem nun vorliegenden, zweiten Album „Refined Believer“ und dachte damals noch, das Werk dann bis zu ihrer Herbst-Tour Ende Oktober, die unter dem Titel des Songs „Forever Blue“ stand, fertig bekommen zu können. Auf der Tour schließlich räumte sie dann ein, dass das noch etwas dauern würde und visierte das Frühjahr als möglichen Veröffentlichungstermin an. Dass es nun allerdings Sommer wurde, bis das Album endlich vorliegt, hatte Gründe – die sich vielleicht über den Titeltrack „Refined Believer“ erschließen. Denn ging es Maria ursprünglich wohl darum, auf dem Album das Leben nach der Veröffentlichung ihres Debüt-Albums „My World, My Love, Paris“ aus einer nachdenklichen, bittersüß-melancholischen Sichtweise kritisch zu beleuchten – und dabei über so manche Enttäuschung zu sinnieren – so impliziert der Titel „Refined Believer“, dass sie allmählich ihr Vertrauen in das Gute des Menschlichen und gewisser Personen – wenn auch auf eine „verfeinerte Art“ – wiedergefunden hat. Aber lassen Sie doch mal selber erzählen.
Die Themen des neuen Albums sind ja noch mal eine Spur persönlicher als auf dem ersten Album. Wie hat sich das denn entwickelt? „Ich habe schon gemerkt, dass ich über ein paar sehr einschneidender Erlebnisse schreiben musste, die für mich sehr wichtig waren“, erinnert sich Maria, „es ging um das Älterwerden und die musikalische Entwicklung – und besonders über viele Trennungen, die ich durchlebt habe. Gar keine Beziehungs-Trennungen, sondern Trennungen im größeren Sinne. Da war dann dieser ‚Need‘, darüber zu schreiben. Darum geht es in vielen Liedern – etwa in dem Sinne, ob es nach einer Trennung, wenn alles vorbei ist, nicht vielleicht aus einem Alten vielleicht doch wieder etwas Gutes entstehen könnte. Es handelt auch von der Hoffnung auf die Zukunft – wie z.B. in dem Stück ‚Like A Song‘. Da geht es um die Beschreibung von zwei Menschen, die eine schwierige Kindheit gehabt haben, sich in der Beziehung miteinander aber ganz leicht fühlen.“
Bedeutet das, dass Maria heutzutage nicht mehr ausschließlich über sich selbst singt und manchmal eben auch über andere Personen? „Beides“, meint sie, „ich glaube, daraus zieht man auch die Inspiration. Manchmal geht es dann um eigene Wünsche – ich wünsche mir, dass ich auch solche Personen finde, über die ich dann schreibe. Oder wie stelle ich mir das vor, wenn ich so fühle wie diese Personen? Ich habe mich ja auch in meinem Leben schon so gefühlt. Das muss dann nicht für mich im Moment gerade passieren – manchmal braucht es auch Zeit, über so etwas schreiben zu können.“
Geht es dann auch darum, das eigene Mind-Set zu erforschen? „Ja klar“, meint Maria, „da spielt immer dieses Unbewusste mit rein – oder wenn ich im Schreibfluss singe und noch nichts da ist und auf einmal kommen dann so Wortfetzen oder Sätze, von denen ich denke: ‚Wow – ich wusste gar nicht, dass mich das jetzt gerade beschäftigt‘. Teilweise ist es auch so – gerade jetzt zuletzt – dass ich erst im Nachhinein dann drauf komme, was ich mit diesem und jenen gemeint haben könnte. Ich habe aber auch ein Lied namens ‚Gloria‘ geschrieben, das jetzt auch auf der Scheibe ist, bei dem ich eine komplette Geschichte im Kopf gehabt hatte, die ich erzählen wollte. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die in eine Art Sekte hineinrutscht. Es wird in dem Song nicht gesagt, aber die Leute in der Kleinstadt, in der sie lebt, reden über sie – während es für den Mann, der sie in die Sekte eingeführt hat, keine Konsequenzen gibt. Der Song handelt dann davon, wie sie aus der Situation ausbricht. Diese Gedanken haben mir dann ganz viel Stoff gegeben und ich konnte das in einem runterschreiben.“
Das ist ein interessanter Punkt – denn die Details, die einem Song wie diesem zugrunde liegen – die dann aber gar nicht explizit angesprochen werden (wie Maria ja sagt) – kann der Hörer ja nicht kennen. Was verlangt Maria denn von ihren Zuhörern? „Ich glaube, der Hörer schuldet einem ja überhaupt nichts“, meint Maria, „ich habe manchmal eher das Gefühl, dass ich dem Hörer etwas schulde. Ich mache die Sache ja schon für mich und ich möchte das auch genießen können – aber es muss sich niemand damit beschäftigen, wenn er das nicht möchte. Ich höre ja auch Musik einfach so. Berufsbedingt möchte ich manchmal vielleicht mehr über einen Musiker oder gewisse Zusammenhänge wissen – aber das muss man ja nicht. Manchmal kann es einem ja schließlich auch die Illusion nehmen, wenn man zu viel über einen Künstler erfährt.“
Kommen wir mal zur Musik: Diese trägt zwar nach wie vor jene Züge, die Maria als romantische Songwriterin im Blick der Öffentlichkeit platzierten – enthält aber auch viele klangtechnische Überraschungen und scheint auch stilistisch gegenüber der klaren Folk-Orientierung des Debüts aufgebohrt. „Was auf dem neuen Album anders war als auf dem Debüt, war, dass vieles im Moment entstanden ist“, führt Maria aus, „ich habe einen guten Freund – den Marian Plösch – der mit dem ich in Wien zusammen gearbeitet habe. Das war die Einleitung zu der Scheibe, wo wir viel geschrieben und ausprobiert haben – und ich war danach viel in England, wo ich Sessions gemacht und mich mit vielen Leuten getroffen habe. Das war so lustig, weil jeder etwas anderes gesagt hatte, was ich in Zukunft machen sollte. Ich habe mich dann mit David Kosten auf einen Kaffee getroffen. Das ist ein Produzent, der z.B. mit Bat For Lashes zusammen gearbeitet hat. Wir haben uns dann über Musik unterhalten und sind in seinem Studio gewesen, wo wir viel Musik gehört haben. Ich habe ihm auch neue Demos dagelassen und es hat sich am Ende richtig angefühlt, dass wir die Sachen dann bei ihm aufgenommen haben. David Kosten ist ein Mensch, der einerseits einen großen Respekt vor Künstlern hat – aber andererseits auch mit einer großen Brutalität reingehen und einen ganzen Song umwerfen kann, auch wenn er liebevoll mit den Songs umgeht. Er sagt dann immer: ‚Ja, wir können ja auch immer noch zurückgehen.’ Ich fand das aber sehr spannend, denn wenn man sich entscheidet, mit einem Produzenten zu arbeiten und nicht alles selbst zu machen, ist es immer eine kollaborative Arbeit. Es ist lustig, denn man hört zwar mich aus den Elementen heraus – aber ich höre auch ihn total. Das finde ich aber schön, denn es sind dann am Ende die Sachen, die ich zulasse, die auf dem Album landen – und David lässt mich das auch entscheiden.“
Ist OSKA denn dann mit bestimmten Vorstellungen ins Studio gegangen oder hat sich das Gesicht der Songs dann während der Arbeiten entwickelt? „Ja, ich hatte zum Beispiel den Song ‚Forever Blue‘ schon als Version mit Gitarre und zwei Stimmen fertig und habe ihn David vorgespielt – dann hat er gemeint, dass das auch ein Big-Song sein könnte. Das fand ich deswegen schön, weil bis dahin die Rückmeldungen auf den Song gar nicht so gut gewesen waren und ich mir gar nicht so sicher war, ob der Song gut genug sei – und das war dann schön, dass wir beide das Potential des Songs erkannten und er eine Vision davon entwickelt hat.“ In dem Fall führte diese Arbeitsweise dazu, dass „Forever Blue“ in der jetzigen Studio-Version der Song ist, der sich am stärksten vom Folk-Aspekt absetzt und mit einem überraschend rauen Indie-Pop-Setting zum heimlichen Highlight der Scheibe geriet.
Die Musik hat Maria Berger ja konsequent zum Zentrum ihres Daseins gemacht. Gab es denn da überhaupt eine Alternative? Gibt es vielleicht gar einen Backup-Plan? „Nein, ich habe keinen Backup-Plan“, lacht Maria, „so bin ich halt. Ich weiß das heute auch und stehe dazu. Musik ist eben kein Beruf, sondern eine Berufung. Manchmal weiß man halt, dass man eine Ärztin oder Lehrerin oder Künstlerin ist. Ich will mir das auch nicht nehmen lassen und ich versuche, gar nicht darüber nachzudenken, dass ich Abstriche machen muss, um meinen Weg gehen zu können. Sicher gibt es aber diese Gedanken – gerade wenn man nicht so privilegiert ist und viel Geld auf der Seite liegen hat. Ich glaube, ich muss persönlich viele Abstriche machen, damit ich es mir leisten kann, in meiner Kunst keine Abstriche machen zu müssen. Ich wohne jetzt zum Beispiel wieder bei meiner Mama auf dem Land – und das ist auch voll schön, weil ich meine Mama liebe und wir uns auch als erwachsene Personen gut verstehen. Aber trotzdem ist das ein Abstrich, weil ich es mir einfach nicht leisten kann, etwas anderes zu machen. Das ist eine Zeit meines Lebens, von der ich mich selber frage, wie sie sich weiter entwickeln wird.“
Die ganzen Schwierigkeiten jetzt mal außer Acht lassend – was ist denn für Maria das Schönste an ihrem Job? „Also, ich arbeite schon irgendwie rund um die Uhr, weil man mit dem Kopf ja immer irgendwie dabei ist – aber was ich schon cool finde, ist, dass ich einen Job habe, bei dem ich nicht jedem Morgen um 5:30 Uhr aufstehen muss, um den Bus zu erwischen und um 7:00 Uhr mit der Arbeit anzufangen. Das war früher für mich immer eine Qual – weil ich einfach nicht der Typ dafür bin. Ich kann mir heute meinen Tag selber einteilen – und das liebe ich; und das ist auch der Grund dafür, warum ich nichts anderes machen könnte. Ich liebe diese Freiheit, die ich habe. Und um den Kreis zu schließen, liebe ich es auch, dass ich wieder bei meiner Mama lebe und dass ich diese Erfahrung noch ein Mal machen kann, meine Mutter auch im Erwachsenenalter noch mal kennenlernen zu können. Ich finde so etwas lustig und spannend – wo andere vielleicht einen konkreten Plan haben über die Dinge, die sie im Leben zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichen wollen. Ich will es genießen, dass ich andere Dinge erleben kann und darf.“
Gibt es eine Art Fazit, das uns Maria mit auf den Weg geben könnte? „Ich finde es schön, dass heute so viele Leute Musik machen“, führt sie aus. „Es ist schön, Musik so immer neu entdecken zu können. Obwohl es eine Milliarde Songs über die Liebe gibt – gibt es doch immer wieder Leute, die Lieder über die Liebe schreiben – die dann etwas Neues in einem selbst auslösen können. Ich habe so immer wieder Phasen, in der ich Musik erleben kann, wie in meiner Jugendzeit – und ich merke, wie ich dadurch wieder aufblühe. Ich brauche Musik einfach.“
„Refined Believer“ von OSKA erscheint auf Nettwerk/Bertus.