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Zusammen
Es war fast schon absurd, die österreichische Indie-Musikerin Claudia Bruckner mit ihrem Projekt Pure Chlorine ausgerechnet in einem der wenigen Momente, an denen sich die Sonne einen Weg durch die dichten Wolken bahnen konnte, auf der Mini-Mopo-Bühne im Festival Village in einem Akustik-Setting bestaunen zu können – denn selbstredend brauchen die Musiker einen dunklen Club, elektrische Gitarren und eine Rhythmusgruppe, um ihren Alt-Hard-Rock effektiv in Szene setzen zu können.
Demzufolge wirkten Claudia und ihre Männer auch irgendwie deplatziert – verliehen ihrer Show dann aber dank des Akustik-Settings aber eine bluesige Note, die man so auch nicht erwartet hätte. Dem Zufallspublikum auf dem Festival Village schien das indes gut zu gefallen – und cool aussehen tut die stets zünftig durchgestylte Claudia aber auch im Sonnenlicht.
Ein wenig später waren die Wolken pünktlich zum Showcase der Schweizer Musikerin Lin und ihrer Band auch schon wieder zugezogen. Auf der XL-Bühne setzen Lin & Co. zwar ebenso gerne ihre Loop-Stations, Trigger Pads und Keyboards ein wie auf dem neuen Album „Focus On The In Between“ – aber dabei geht es dann wesentlich druckvoller und rockiger zu. Das erscheint auch notwendig, denn Lins Art von Neo-Polit- und Empowerment-Rock aus weiblicher Sichtweise lässt sich auf der großen Bühne alleine über die elektronischen Club- und Dancepop-Elemente eben nicht so gut vermitteln wie mit einer geballten feministischen FLINTA-Faust und ein paar Power-Chords.
Auch Marlena Käthe vermittelt über ihre Songs feministische Werte – allerdings nicht mit geballten Fäusten und Power-Chords, sondern mit persönlich gefärbten, düster/melancholischen Balladen, die sie im Fall beim HVV-Bus zusammen mit einem Drummer darbot. Die teils elektronisch und teils organisch arrangierten Elegien trug Marlena Käthe dann multilingual auf Englisch und Deutsch vor und reicherte diese musikalisch dann noch mit ganz dezenten Club-Elementen an. Insbesondere die Idee, auf ihrer aktuellen EP „A<R>MOR“ verstärkt auch deutsche Textzeilen zu verwenden, verlieh ihrer speziellen Form des Darkwave-Art-Pop dann einen besonderen Kick. Auch dieser Showcase wäre in einem dunklen Club besser aufgehoben gewesen – aber es ging ja bei dieser Gelegenheit darum, Öffentlichkeit bei einem Publikum herzustellen, das mit Marlenes introvertierter Kunst ansonsten keine Berührungspunkte gehabt hätte.
Der Auftritt beim N-Joy-Bus war für Lidia Beck und Konstantin Abel a.k.a. Lost In Lona bereits der dritte an drei Tagen auf dem Reeperbahn Festival. Mittlerweile hatten sich Lidia und Konstantin also warmgespielt und nutzten die Chance, dann noch einmal Werbung für das neue Album „The Killer“ zu machen, auf dem sie ihren Indie-Pop musikalisch auf ein neues Level gehievt haben, das sich von der reinen Folklehre – auch dank elektrischer Bestandteile – deutlich absetzt. Bei dem N-Joy-Showcase gab es dann aber natürlich wieder Folk pur. Wie schon bei ihrem halb verregneten Auftritt zwei Tage zuvor bei den Village Acoustics gelang es Lost In Lona erneut, das Laufpublikum zum Innehalten und Zuhören bewegen zu können. Lidia und Konstantin haben schon verstanden, worum es beim reflektiven Songwriting geht und überzeugen durch eine unaufdringlich souveräne Bühnenpräsenz.
Eigentlich hatte die amerikanische Songwriterin Norma Jean Martine eine vielversprechende Karriere als alternative Musikerin vor sich, als sie 2016 ihr Debütalbum „Only In My Mind“ – übrigens erstmals auf dem Reeperbahn Festival – präsentierte. Aufgrund einer Reihe absurder Fehlentscheidungen des Managements wurde daraus aber nichts und Norma Jean Martine verschwand mehr oder minder sang- und klanglos aus der Öffentlichkeit. Da sie allerdings in Europa über eine Reihe internationaler Verflechtungen als Songwriterin für diverse italienische und französische Acts (und Lena Meyer-Landrut) für einige Hitsongs mit verantwortlich zeichnete, hat sie das dann zum Kerngeschäft gemacht. Bei ihrem Showcase am N-Joy-Bus trug sie dann einige dieser Songs – wie etwa „Overdrive“ von Ofenbach – vor und einen neuen eigenen Song, dessen Textblätter allerdings vom Winde verweht wurden. Noch nicht endgültig entschieden scheint indes, ob sie ihre Rolle als Performing und Recording Artist in eigener Sache wieder aufzunehmen gedenkt.
Auf der Bühne entfachen The Buoys aus Australien ein wahres Feuerwerk aus Energie, Witz und Biss: Zwischen Indie-Rock, Grunge und Garage-Pop wirbeln Zoe, Courtney, Hilary und Tess durch ihre Songs, als gäbe es keinen Morgen. Ihre Texte über Orientierungslosigkeit, Enttäuschung und Trotz treffen, während die Band jede Melodie mit Spielfreude und Energie vorträgt. Man spürt sofort: Hier steht eine Band, die genau weiß, was sie will – und die sich von niemandem Platz wegnehmen lässt.
Live zeigte Laura-Mary Carter einmal mehr, warum sie zu den charismatischsten Frontfrauen der englischen Rockszene zählt: Gut gelaunt und sichtbar bei der Sache, spielte sie einige Songs ihres Solo-Repertoires ohne Knopf im Ohr – eine Seltenheit in heutigen Zeiten. Unterstützt von ihrer Live-Band (Standard-Line-Up mit Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug) erstrahlte sofort der Molotow Club – es gibt ja Künstler, die es scheinbar mühelos schaffen, mit ihrer Musik den Raum sofort angenehm zu verwandeln. Laura-Mary Carter gehört definitiv dazu. Wunderschön – mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen.
Die australische Indie-Musikerin Rowena Wise hatte ihr Debütalbum „Senseless Acts Of Beauty“ von 2024 nicht nur mit zum Reeperbahn Festival gebracht, um das dort im Rahmen des Aussie BBQ im Molotow zu präsentieren, sondern auch, um auf geschäftlicher Ebene Kontakte knüpfen zu können, um einen Vertrieb zu finden und ggf. ein europäisches Label aufzutreiben. Mit ihrem beeindruckenden Solo-Auftritt im Imperial Theater fand das Reeperbahn Festival 2025 dann auch einen würdigen Abschluss für Freunde songorientierter Indie-Rock-Musik. Rowena – oder auch kurz „Ro“ – schreibt ihre Songs über das traumatische Zerbrechen diverser Beziehungen auf ihren ausgedehnten Konzertreisen und verwendet diese nach eigener Aussage, um Erinnerungen einerseits festzuhalten und andererseits im Rückblick zu analysieren und zu bewerten. Dabei kommen Songs wie z.B. das im winterlichen Stockholm geschriebene „New Years“ zustande, die so bittersüß melancholisch geraten sind, dass Rowena die berechtigte Frage, ob sie eine glückliche Person sei, ausweichend weg lächelte. Musikalisch dürften gerade Fans von Indie-Ikonen wie Sharon Van Etten und Joan As Policewoman aufgrund eines ähnlichen Timbres und auch einer vergleichbaren Herangehensweise an die Strukturierung des Songmaterials betreffend keine Probleme mit dem Zugang zu Rowenas Soundkosmos gehabt haben – auch wenn ihre Solo-Performance natürlich den Rock-Mehrwert der teils opulent arrangierten Studio-Produktionen nicht bieten konnte (was aber vielleicht auch gut so war, da so die emotionale Wucht des Materials noch intensiver zur Geltung kam).
Coach Party lieferten zum Abschluss des Reeperbahn Festivals noch einmal einen kraftvollen Beweis, wie frischer Alternative Rock 2025 klingen muss: Mit Indie-Charme, Riot-Grrrl-Energie und einer Prise rabiaten Punk-Spirits stürmten sie durch ihr Set. Eingängige Pop-Hooks treffen auf synthetische Spielereien, textlich navigiert die Band durch die Irrungen und Wirrungen der modernen Welt, immer mit einem Augenzwinkern und einem nostalgischen Feel-Good-Vibe. Ein toller Abschluss des Festivals für uns.
















































