Zeit, einen weiteren weißen Fleck auf der Musiklandkarte zu tilgen: Welche Musik macht der Stargitarrist und Komponist von Living Colour, Vernon Reid, im schwarz / weißen Leben außerhalb seiner Erfolgsband? Er macht Jazz. Jazzrock, allerfeinste Fusionware, um genauer zu sein. Schon weniger überraschend, wenn man erfährt, dass genau dies der Hintergrund bzw. musikalische Werdegang des Saitenkünstlers in New York gewesen ist. Die Menschen, die ihm helfen, diese Zeiten trotz seiner heutigen Weltläufigkeit und Erfolgsverwöhntheit wieder heraufzubeschwören, sind Leon Gruebaum (keyb) und Hank Schroy (bss), die beide schon beim ersten Masque-Album dabei waren. Und sie machen einen Bombenjob, festzumachen etwa an den Orgelriffs im enorm breakreichen „The Slouch“ oder den feinnervigen Basslinien, gegenläufig zum Schlagzeugrhythmus, in „Brilliant Corners“, einer Thelonious Monk-Nummer. Die Drums bei diesem Album bedient Marlon Browden, der noch unlängt bei John Scofield bewiesen hat, wie sehr er das kann.
Das Gros der 12 Tracks sind Reid-Kompositionen. Der Ton des farbigen Gitarrenmeisters ist variantenreich wie seine Technik: Auf dem Titelsong bemüht er ein sahnig-singendes, aber obertonarm näselndes Sustain, das nie auszuklingen scheint. Die harten Breaks von „The Slouch“ hingegen scheinen fast von einem anderen Gitarristen zu stammen, ebenso wie das atemberaubende Schnellgeschredder einiger Passagen von „Brilliant Corners“. Auf „Strange Blessing“ hingegen, einem der faszinierendsten Tracks, klingt die Gitarre bisweilen wie Miles‘ Trompete auf „Sketches Of Spain“. Für Jazzkenner unter den Gitarrenmusikfreunden – und solchen, die sich vorstellen können, es zu werden.
„Known Unknown“ von Vernon Reid & Masque erscheint auf Favored Nations/Rough Trade.