In Sachen kunstvoll reduzierter Indie-Folk gab es in der jüngeren Vergangenheit hierzulande kaum eine Platte, die an „Growing Pains“, das Debüt von Kira Hummen heranreicht. Bedauerlicherweise sorgte die Pandemie dafür, dass das im April 2020 erschienene Album nie die Resonanz erfuhr, die es verdient gehabt hätte. Der Möglichkeit beraubt, ihren Erstling live auf die Bühne zu bringen, schloss sich die ursprünglich aus dem beschaulichen Geldern stammende, inzwischen in Düsseldorf lebende Musikerin in den eigenen vier Wänden ein und entdeckte in ihrem Bedroom-Studio die Freude am Experimentieren. Herrlich unmittelbare, auf Stimme und Stromgitarre reduzierte Nummern wie „Cold Stones“ oder „The Sound Of Your Feet Leaving“ tauscht Hummen auf dem LP-Nachfolger „My Body Is The Only Place“ nun gegen einen mit idiosynkratischen Ideen gespickten, von jazziger Freigeistigkeit und souliger Sanftheit befeuerten Alternative-Pop-Entwurf ein, der trotz aufwendiger Vokalarrangements immer noch ein Faible für klanglichen Minimalismus erkennen lässt, mit Hip-Hop-Beats und elektronischen Spielereien aber dennoch einen Schritt Richtung Zeitgeist macht. Auch textlich ändert Hummen ein Stück weit die Perspektive. „I must first of all say I am woman“ lautet die programmatische erste Zeile des Openers „First Of All“, der von Beginn an die Richtung vorgibt, denn auch in Songs wie „Hysteria“ oder beim Titelstück rückt Hummen Themen wie Empowerment, Selbstfindung und freiheitliche Selbstbestimmung in den Mittelpunkt. Wenn sie dabei von der eigenen Biografie und der Melancholie des Alltags zur gesellschaftlichen und politischen Bedeutung ihrer Anliegen vorstößt, unterstreicht das: Sozialkritik und künstlerischer Eigensinn passen bei Kira Hummen wirklich gut zusammen.
„My Body Is The Only Place“ von Kira Hummen erscheint auf Listenrecords/Broken Silence.