Also so richtig neu ist die Art von Drama-, Operetten- und Glam-Pop, den The Last Dinner Party – zugegebenermaßen mit jeder Menge Girlie-Empowerment und Gaia-Mythologie – auch auf ihrem zweiten Album „From The Pyre“ zelebrieren, ja nicht. Aber das Entscheidende ist der Umstand, dass es eben für die Zielgruppe – junge Frauen auf der Suche nach Identifikationsfiguren und Selbstbestätigung – dann doch wieder neu ist; was dann den unglaublichen Erfolg des Quintetts erklärt, das heutzutage mühelos die größtmöglichen Hallen unterhalb der Arena-Größe füllt.
Mit ihrem Mega-Hit „Nothing Matters“ von ihrem Debütalbum „Prelude To Ecstasy“ setzten TLDP dann auch gleich Maßstäbe in der gewählten musikalischen Genussmittelgruppe – machten aber zum Glück aber nie den Versuch, diesen Coup zu wiederholen. Tatsächlich betrachten die Damen das nun vorliegende, zweite Album „From The Pyre“ nicht als Quantensprung oder Neustart irgendeiner Art, sondern als konsequente Weiterentwicklung des mit der Debüt-LP eingeleiteten Entwicklungsprozesses. Oder anders ausgedrückt: Sie übertragen die Erfahrungen und Inspirationen, mit denen sie seit ihrem kometenhaften Aufstieg konfrontiert sahen, in neues Songmaterial.
Davon, dass es dabei ziemlich wild zugegangen sein muss, zeugen schon alleine die epische Dimension und die komplexe Struktur des Materials, das – je nach kompositorischer Aufgabenstellung – mal mit Prog-Elementen, mal mit Musical-Flair, Kook-Pop und dem schon erwähnten theatralischen Glam-Vibes angereichert wird. Dass die Damen dabei des Öfteren geradezu liturgische Qualitäten demonstrieren, liegt sicherlich daran, dass das Ganze als Konzept-Werk über eine spirituelle Natur-Mythologie angelegt ist. Der besungene Scheiterhaufen sei ein allegorischer, mythologischer Ort der „Gewalt und Zerstörung – aber auch der Regeneration, der Leidenschaft und des Lichtes“ – und sicherlich auch einer der Wiedergeburt, aus dem dann der feministische Phönix aus der Asche des Hexenfeuers aufsteigt. Das mag sich ziemlich beknackt anhören – ist aber doch mal ein Ansatz den Prozess der Selbstfindung mit einigem Selbstbewusstsein jenseits der ansonsten üblichen Konzentration auf das bloße, deprimierende Spiegeln der eigenen psychischen Unzulänglichkeiten anzulegen. Jedenfalls treiben The Last Dinner Party die eigenen Dämonen mit sich selbst aus – was vielleicht auch die Attraktivität als Role Models ausmacht. Wenn TLDP das Album dann als mittelalterliches Mysterienspiel beschreiben, in dem sie sich selbst die Hauptrollen zuschanzen, dann wird da wohl schon was dran sein.
Demzufolge wohnt dem Ganzen auf der musikalischen Seite ein geradezu zelebratorischer Faktor inne. Im Vergleich zum leicht bombastisch überbordenden Debüt-Album wirkt „From The Pyre“ zugleich rauer, bodenständiger und drängender – aber nicht weniger komplex, aber eben nicht mehr so opulent unterlegt. Gelegentlich – wie etwa im Falle der Mörder-Moritat „This Is The Killer Speaking“ – brechen The Last Dinner Party mit Mitsing-Refrains aus der überkomplexen Detailversessenheit des Klein Klein aus – manchmal wie im darauffolgenden „Rifle“ setzen sie noch eins drauf – in dem Fall mit einem en passant eingeschobenen Madrigal auf französisch. Ohne Frage haben The Last Dinner Party kein typisches zweites Album gemacht, das sucht das Debüt zu toppen, sondern eines, das sich in angenehmer Weise weiterentwickelt hat.
„From The Pyre“ von The Last Dinner Party erscheint auf Vertigo/Universal.




